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Mehr Mitbestimmung gegen Massenentlassungen

Nachricht von Bernd Riexinger,

In vielen Betrieben und Branchen sorgen sich die Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze. Die Fraktion DIE LINKE will die Rechte der Belegschaften und Betriebsräte stärken, um Standortschließungen und Jobkahlschlag zu verhindern.

Die Entscheidung, getroffen in der Konzernzentrale in Bonn, schlug im 450 Kilometer entfernten Zwickau ein wie eine Bombe: Das Management von Haribo, dem Weltmarktführer für Fruchtgummi, stellt die Produktion in seinem Werk im sächsischen Wilkau-Haßlau ein. Zum 100-jährigen Firmenjubiläum verlieren nun rund 150 Arbeiterinnen und Arbeiter ihre Jobs. Firmenpatriarch Hans Guido Riegel rechtfertigte den Beschluss mit wirtschaftlichen Interessen: „Zur unternehmerischen Verantwortung gehört auch, unpopuläre Entscheidungen zu fällen.“ Eine Entscheidung, die über die Köpfe der Belegschaft und des Betriebsrats hinweg getroffen wurde. Weder wurden sie gefragt, wie die Produktion verbessert werden kann, noch konnten sie mitentscheiden, was mit ihrem Werk passiert. 

Auch im Motorenwerk in Untertürkheim geht die Angst um – und die Wut. Die Beschäftigten sorgen sich um ihre Arbeitsplätze, seit Daimler-Boss Ola Källenius im vergangenen Jahr den größten Jobkahlschlag in der Geschichte des Konzerns angekündigt hat. Bis zu 30.000 Arbeitsplätze sollen gestrichen, ganze Produktionsstandorte ins Ausland verlagert oder komplett geschlossen werden. Gegen die Pläne des Managements protestiert die Belegschaft seit Monaten. Ihnen bleiben Kampfbereitschaft und Ausdauer; das Recht auf Mitbestimmung, was mit ihren Arbeitsplätzen passiert, haben sie allerdings nicht.

Daimler ist kein Einzelfall. Die gesamte Automobil- und Zuliefererindustrie befindet sich im Umbruch. Die Meldungen über Stellenstreichungen, Standortverlagerungen ins Ausland oder Werksschließungen häufen sich. Bosch droht mit der Schließung der Produktionsstätte in Bietigheim-Bissingen; Autozulieferer wie Mahle, Magna und Schaeffler planen die Vernichtung und Verlagerung von tausenden Industriearbeitsplätzen. Karl Reif, ehemaliges Betriebsratsmitglied im Mercedes-Benz-Werk in Untertürkheim, fasst die Lage zusammen: „Die Unternehmen gehen in die Offensive. Auf Kosten der Beschäftigten sichern sie ihre Profite.“

Bernd Riexinger, für die Fraktion DIE LINKE im Wirtschaftsausschuss und selbst Gewerkschafter aus Stuttgart, kritisiert, der Kahlschlag habe meist gar nichts mit der Coronakrise zu tun. „Es ist ein Skandal, dass Konzerne die Gunst der Stunde ausnutzen, um von den Beschäftigten Lohnverzicht zu erzwingen und die Dividenden der Aktionäre zu erhöhen“, sagt Riexinger. Es sei inakzeptabel, dass Produktionsstandorte, die von den Beschäftigten über Jahrzehnte aufgebaut worden sind, durch einen Federstrich der Konzernführung geschlossen werden.

Angesichts der aktuellen Entlassungswelle haben im Südwesten haben zahlreiche Gewerkschafterinnen und Betriebsräte eine öffentliche Petition unterzeichnet. Darin wehren sie sich dagegen, dass die Krise auf die Beschäftigten abgewälzt wird, um die Rendite hoch zu halten. Sie fordern einen „Rettungsschirm für Industriearbeitsplätze“ und schlagen eine Umverteilung von Arbeit als Alternative zu Werksschließung und Jobverlust vor. Arbeitszeitverkürzung erhalte und schaffe Jobs, argumentieren sie, und verweisen auf erste Betriebsvereinbarungen zur Vier-Tage-Woche.

Arbeitsplatzvernichtung findet selbst bei der Lufthansa statt, obwohl der Konzern mit rund neun Milliarden Euro Steuergeld vor dem Konkurs gerettet wurde. Nach rund 30.000 Stellen im vergangenen Jahr sollen bei der Airline weitere 10.000 Stellen in diesem Jahr wegfallen. Dass Belegschaft und Gewerkschaft dagegen Sturm laufen, interessiert die Chefetage nicht. Es rächt sich, dass die Bundesregierung die staatlichen Hilfen nicht an den Erhalt von Arbeitsplätzen und den klimafreundlichen Umbau des Unternehmens geknüpft hat. Denn auch im Konzern mit dem Kranich haben Belegschaft und Betriebsräte kein Vetorecht gegen Massenentlassungen. 

Es ist höchste Zeit, dass die Belegschaften und ihre gewählten Interessenvertretungen mitbestimmen können, wenn es um ihre Existenz und die Zukunft ihres Betriebes geht. Die Demokratie darf vor den Betriebstoren nicht halt machen. Die Fraktion DIE LINKE stellt deshalb im Bundestag den Antrag, dass Beschäftigte und ihre Betriebsräte das Recht erhalten, über die Zukunft ihrer Standorte und ihrer Arbeitsplätze mitzuentscheiden. Auf gesetzlicher Grundlage sollen die Betriebsräte weitreichende Mitbestimmungsrechte bei allen wichtigen Fragen erhalten: bei Betriebsänderungen, Standortverlagerungen und Entlassungen. Denn die produktive Arbeit und das Wissen der Beschäftigten sei die Grundlage für ein soziales und klimagerechtes Wohlstandsmodell der Zukunft, heißt es zur Begründung dieser parlamentarischen Initiative.