Zum Hauptinhalt springen

»Mainz« steht für »Bahnprivatisierung«

Im Wortlaut von Sabine Leidig,

Von Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Seit zwei Wochen geht auf dem Mainzer Hauptbahnhof fast gar nichts. Dann gab es am 13. August einen „Bahn-Gipfel“. Und was war das Ergebnis? Die Bahn-Verantwortlichen teilen mit, dass es in Mainz noch weitere zwei Wochen lang keinen fahrplanmäßigen Betrieb geben würde.  Das wäre eine Lachnummer, wenn der Hintergrund nicht so ernst wäre. Tatsächlich gilt nicht nur: „Mainz ist überall“. Vor allem steht „Mainz“ für den grundsätzlich falschen Privatisierungskurs der bahn, der vor fast genau 20 Jahren mit der Bahnreform 1993/94 eingeleitet wurde. Damals wurden die Deutsche Bahn als Aktiengesellschaft etabliert. Es folgte eine schrittweise Zerlegung in fünf getrennte Aktiengesellschaften bis Ende der 1990er Jahre. Das geplante „Finale“ war der Börsengang, der mit Bahnchef Mehdorn ab dem Jahr 2000 forciert wurde. Dieser scheiterte 2008 zwar – doch grundsätzlich wird die grundsätzliche Ausrichtung ist auch unter Rüdiger Grube geblieben. Zieht man eine Bilanz, ist die Bahnpolitik geprägt von rücksichtslosem Abbau von Personal, Fahren auf Verschleiß bei rollendem Material und Infrastruktur.

Personalabbau: Seit der Bahnreform wurde die Zahl der Beschäftigten im Schienenbereich von 350.000 auf weniger als 165.000 halbiert - trotz gestiegener Leistungen. Allein von 2002 bis 2012 wurde das Personal in den für den Schienenverkehr wichtigen Bereichen um 21 Prozent reduziert (siehe Tabelle im Anhang). Der Arbeitsstress wird noch gesteigert durch einen ständig anwachsenden Berg von Überstunden: Allein im Bereich Netz (Stellwerke!!) sind mittlerweile 2,4 Millionen Mehrleistungsstunden aufgelaufen; gegenüber dem Vorjahr (Juni 2012) wurde dieser Berg um 200.000 Mehrarbeitsstunden „aufgestockt“.
 

Personalentwicklung bei der Deutschen Bahn AG 2002 - 2012 in einzelnen Sektorenn des Schienenverkehrs *VZP = Vollzeitkräfte (ggfs. umgerechnet)
** nicht vergleichbar, weil Schienengüterverkehr im Ausland dazu kam
Quellen:
Daten und Fakten 2002, herausgegeben von der Deutschen Bahn AG, . 27
Daten und Fakten 2012, herausgegeben von der Deutschen Bahn AG, . 10
Fahren auf Verschleiß: Die Infrastruktur des Schienennetzes wird von Jahr zu Jahr schlechter. Deshalb benötigen viele ICE heute deutlich längere Fahrtzeiten. Beispiel: Auf der Strecke Stuttgart – München lag die ICE-Fahrtzeit 1995 bei 121 Minuten – heute sind es 144 Minuten. Was machen Grube-Ramsauer? Statt die Strecke für rund 250 Millionen Euro zu ertüchtigen, werden mindestens fünf Milliarden Euro für eine Neubaustrecke über die Schwäbische Alb ausgegeben. Immer mehr Züge machen schlapp – mit drastischen Ergebnissen. Allein im Zeitraum 29. Juli bis 12. August blieben mindestens fünf Fernverkehrszüge auf offener Strecke liegen; es mussten 2000 Fahrgäste unter oft dramatischen Umständen evakuiert werden (vgl. Liste).

Beides zusammen bedeutet auch: Fahren auf Risiko: Beim Unglück in Hordorf vom Januar 2011 mit zehn Toten, als ein Güterzug auf einen entgegenkommenden Nahverkehrszug prallte, hätte zum Beispiel die Installation der vorhandenen Sicherungstechnik den Zusammenstoß verhindert. Auch am  Beginn der „Mainzer Verhältnisse“ stand der Beinaheunfall zweier S-Bahnen, die am 1. August auf ein und dasselbe Gleis geleitet wurden!

All das findet nicht aus Finanznot statt. Die Bahn verbuchte 2012 den Rekordgewinn von 2,7 Milliarden Euro. Diese Politik findet statt, um auf diese Weise den aggressiven Expansionskurs der Bahn im Ausland zu finanzieren und um den Konzern so zu verschlanken, dass er interessant für private Investoren ist. Das Ziel Bahnprivatisierung steht im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb. Dieses Ziel droht auch zur Orientierung der nächsten Bundesregierung zu werden – immerhin wurde der Bahnbörsengang von Rot-Grün (1998-2005) auf den Weg gebracht. Es war dann die Große Koalition von CDU/CSU und SPD mit Peer Steinbrück als Finanzminister, die den Bahnbörsengang besonders vehement vorantrieb.

Die PDS kritisierte 1993/94 die Bahnreform als Einstieg in die Bahnprivatisierung. Sie forderte damals, was die LINKE heute fordert: Die Bahn muss eine Unternehmensform haben, mit der sie ausschließlich orientiert auf optimalen Bahnverkehr für alle Fahrgäste, bei Wahrung der Interessen der Bahnbeschäftigten und mit dem klimapolitischen Ziel: mehr Verkehr auf die Schiene.


linskfraktion.de, 20. August 2013