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"Linke warnt vor "atomarem Wettrüsten"

Im Wortlaut von Norman Paech,

Für die USA sei der Atomwaffensperrvertrag nicht mehr Grundlage ihrer Politik, kritisiert der Außenexperte der Linksfraktion. Und die Bundesregierung müsse ihre Iran-Politik überdenken, sagte Paech der Netzeitung.

Die Linke im Bundestag hat das Abkommen über die Lieferung ziviler Nukleartechnologie zwischen den USA und Indien scharf kritisiert. Es zeige, «dass für die USA nicht mehr die Nichtverbreitung von Atomwaffen das Problem ist, sondern nur noch die Frage, wer solche Waffen besitzt», sagte der Außenexperte der Linksfraktion, Norman Paech, der Netzeitung. «Damit ist der Atomwaffensperrvertrag für Washington nicht mehr Grundlage der internationalen Politik.»

Paech räumte ein, dass das Abkommen «zwar ein Stück weit nur die Anerkennung der Realität» bedeute. «Zugleich ist es aber ein fatales Signal: Auch andere Staaten werden rasch erkennen, dass nur die Entwicklung eigener Atomwaffen die Anerkennung durch die USA zur Folge hat. Bush riskiert damit ein neues atomares Wettrüsten.»

«Widersprüche der US-Politik»

US-Präsident George W. Bush hatte bei seinem Besuch in der indischen Hauptstadt Neu Delhi am Donnerstag ein Abkommen mit Premier Manmohan Singh unterzeichnet. Dabei wurde Indien die Lieferung von Technologie zur zivilen Nutzung der Atomkraft zugesichert. Im Gegenzug will Indien internationalen Inspekteuren erstmals die Kontrolle einiger eigener Nuklearanlagen gestattet. Das Land hat den Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation-Treaty, NPT) nicht unterzeichnet und ist deshalb nicht verpflichtet, Mitgliedern der UN-Kontrolleuren der Internationalen Energiebehörde IAEA Zugang zu seinen Reaktoren zu gewähren.

Für Linken-Fachmann Paech zeigt das Abkommen vor dem Hintergrund des Atomstreits mit Iran die «Widersprüche der US-Politik» auf: «Während einem Staat wie Indien, der den Atomwaffensperrvertrag nie unterschrieben hat, trotz eigener Atomstreitmacht zivile Nukleartechnologie geliefert wird, will Washington dem NPT-Unterzeichner Iran nicht einmal die dort zugesicherte Zivilnutzung zugestehen», kritisierte er. Diese «Ungleichbehandlung» sorgt aus seiner Sicht «zu Recht für Empörung»: «Das mindeste, was man von Bush fordern muss, ist eine in sich schlüssige Politik der Gleichbehandlung.»

Merkel soll Iran-Politik ändern

Angesichts dieser Entwicklung müsse «auch die Bundesregierung ihre Haltung im Iran-Konflikt noch einmal überdenken. Keinesfalls darf sie mit dem Einsatz militärischer Gewalt drohen», verlangte Paech. Entsprechende Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits für Widerspruch aus Reihen der SPD gesorgt. «Iran muss die friedliche Nutzung der Atomkraft erlaubt sein - wenn sich das Land wie zuletzt angeboten vollständig von den UN-Kontrolleuren der IAEO überwachen lässt», sagte Paech.

Dass die USA ein ähnliches Abkommen wie mit Indien mit dem verfeindeten Nachbarstaat Pakistan unterzeichnet, wenn er das land am Freitag besucht, glaubt der Außerpolitiker indes nicht: «Das Atomabkommen mit Indien beruht vor allem darauf, dass die USA das Land als strategisches Gegengewicht zu China in Asien aufbauen wollen. Da müssen sie sich das Wohlwollen der Regierung erkaufen», argumentiert er. Im Fall Pakistan sei das schon allein wegen der Position des dortigen Militärmachthabers Pervez Musharraf «ganz anders»: Der pakistanische Präsident sei «ohnehin vollständig vom Wohlwollen Washingtons abhängig».

Netzeitung, 3. März 2006