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Linke diskutiert über eine neue Politik gegenüber Afrika

Nachricht von Hüseyin Aydin,

Mit der Konferenz unter dem Titel „Krise der Politik - Politik der Krise“ setzte am vergangenen Samstag die Bundestagsfraktion DIE LINKE einen neuen Akzent in ihrer afrikapolitischen Arbeit. Gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung hatte sie Aktivisten und WissenschaftlerInnen aus Afrika und Deutschland eingeladen, sich über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage auf dem Kontinent auszutauschen und über die Möglichkeiten und Perspektiven progressiver Politik in und für Afrika zu diskutieren.

Damit knüpfte die Konferenz an die von der Fraktion DIE LINKE Anfang dieses Jahres veröffentlichte Afrikabroschüre an, in der Grundlinien einer linken Afrikapolitik entwickelt und zur Diskussion gestellt worden waren. Die Tagung folgte dem Anspruch, nicht nur über Afrika zu reden. Stattdessen sollte sie den Auftakt zu einem echten Dialogprozess mit VertreterInnen der durchaus heterogenen afrikanischen Linken geben, um sich über eine gemeinsame Lageeinschätzung zu verständigen und um Perspektiven einer solidarischen Zusammenarbeit zwischen europäischer und afrikanischer Linke zu diskutieren.

Es wurde im Laufe des Tages ein weites Themenfeld aufgespannt, das von einer Bestandsaufnahme politischer Bedingungen auf dem Kontinent über die Einbindung Afrikas in den globalen Kapitalismus, die Diskussion von Konfliktursachen bis hin zu Fragen der Positionierung der afrikanischen Linken im Parteien- und Bewegungsspektrum reichte. Abschließend wurden Anforderungen an eine neue Afrikapolitik der europäischen Linken und Perspektiven der Zusammenarbeit debattiert.

Relevante Fragen - der richtige Ausgangspunkt

In seiner Begrüßung stellte Hüseyin Aydin, Obmann für DIE LINKE im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, fest, dass soziale Unsicherheit, Perspektivlosigkeit und Armut nicht nur diejenigen afrikanischen Länder prägen, in denen Konflikte gewaltsam ausgetragen werden. Auch die als stabil geltenden Staaten würden sich nicht selten in permanenten Krisensituationen befinden. Zugleich formulierte er seinen Anspruch an die Zusammenkunft. „Wenn diese Konferenz Fragen aufwirft“, so Aydin, „ist das ein guter Ausgangspunkt. Sicherlich müssen wir gemeinsam versuchen, auch Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu finden. Doch die Voraussetzung dafür ist, dass wir uns selbst erst einmal die richtigen und wichtigen Fragen stellen.“

Bereits in der ersten Diskussionsrunde des Tages nahmen die Referenten diese Anregung auf. Sie hatte eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen politischen und sozialen Gegebenheiten und deren Konsequenzen für linke Kräfte in Parteien und sozialen Bewegungen auf dem Kontinent zum Ziel. Mtumishi Njeru Kathangu, seit vielen Jahren aktiv im Kampf für eine Demokratisierung in Kenia und Vorsitzender der Nichtregierungsorganisation CREDO, ging vor allem auf das koloniale Erbe und dessen anhaltender Bedeutung für die heutigen politischen Entwicklungen in Kenia ein. Amacodou Diouf, Repräsentant der linken Partei PIT aus dem Senegal, berichtete von der gesellschaftlichen Mobilisierung gegen die jahrzehntelange Vorherrschaft der Sozialistischen Partei sowie über die sich seit dem Machtwechsel zur wirtschaftsliberalen Demokratischen Partei des amtierenden Präsidenten Abdoulaye Wade verschärfenden sozialen und wirtschaftlichen Problemen. Vor dem Hintergrund der verschärften Auseinandersetzungen um den neoliberalen Kurs Wades skizzierte Diouf das schwierige Navigieren seiner Partei zwischen Regierungsbeteiligung und Opposition.

TeilnehmerInnen forderten eine Klassenanalyse, die den Bedingungen in Afrika gerecht wird

Der Wissenschaftler Gero Erdmann vom GIGA-Institut in Hamburg bot mit seiner Präsentation eine vergleichende Übersicht zur Bedeutung und Organisation von Parteien im subsaharischen Afrika. Er stellte fest, dass - entgegen der in Europa verbreiteten Annahme - die sich allein aus einer Ethnie rekrutierende Partei eher die Ausnahme sei. Häufiger seien Koalitionen verschiedener Ethnien in einer Partei anzutreffen. Erdmann verwies auf weit verbreitete Probleme - unter anderem die fehlende politisch-programmatische Unterscheidbarkeit und wenig entwickelte demokratische Strukturen. In der Diskussion wurde die Notwendigkeit einer neuen Klassen- bzw. Schichtenanalyse hervorgehoben, die den sozio-ökonomischen Realitäten auf dem Kontinent Rechnung besser trägt als bisherige, westlich orientierte Erklärungsmodelle.

Gegen das Dogma des Neoliberalismus

Im folgenden Panel stand die neoliberale Ausrichtung internationaler Finanz- und Wirtschaftspolitik zur Debatte. Timothy Kondo, Gewerkschafter aus Simbabwe, berichtete detailliert und sehr lebendig von der Lobbyarbeit seiner Organisation ANSA, die auf die Entwicklung einer Wirtschafts- und Sozialpolitik jenseits vom Dogma des Neoliberalismus zielt. Ilona Auer-Frege vom Ökumenischen Netz Zentralafrika beleuchtete den Zusammenhang zwischen Rohstoffförderung und Konflikten in der Demokratischen Republik Kongo. Diskutiert wurden hier vor allem die unzureichenden nationalen und internationalen Regulierungsmöglichkeiten, sowohl in Bezug auf den Handel mit Konfliktrohstoffen wie auch mit Blick auf die Umsetzung von Sozial- und Ökologiestandards.

Nach der Mittagspause referierten Njeru Kathangu und Klaus Schlichte von der Universität Magdeburg über Konfliktursachen und Möglichkeiten ihrer Bearbeitung. Nach seinem historischen Abriss über Konfliktdimensionen in Afrika analysierte Njeru Kathangu die 3 Konfliktursachen und -dynamiken in Kenia. Er verdeutlichte, dass nicht „ethnischer Hass“, sondern Angst und Unsicherheit die Gewaltdynamiken erklären. Klaus Schlichte ergänzte diese Ausführungen durch die Analyse von materiellen Verteilungskonflikten und politischen Machtkämpfen innerhalb neopatrimonialer Herrschaftsstrukturen, die vielen der innerstaatlichen Kriege und Konflikte in afrikanischen Staaten zugrunde liegen.

DIE LINKE zwischen Partei und Bewegung

Wie verhält sich DIE LINKE im Spannungsfeld zwischen Partei und sozialen Bewegungen - vor allem dann, wenn sie als Partei in der Regierung vertreten ist und wirtschaftsfreundliche, unsoziale Politiken umsetzt? Eine skeptische Einschätzung lieferte hierzu Vishwas Satgar von der Organisation COPAC, die der kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) nahesteht. Die SACP sieht er durch die Einbindung in die neoliberale Politik des regierenden ANC seit Ende der Apartheid in einer programmatischen und politischen Krise gefangen. Optimistischer argumentierte der Berliner Sozialwissenschaftler Romin Khan, der in SACP, Teilen des Gewerkschaftsbundes COSATU sowie der ANC-Linken ein Potential sah, die Forderungen und Ziele zivilgesellschaftlicher Proteste und Bewegungen zu unterstützen und zu institutionalisieren. Vor dem Hintergrund der jüngsten Wahlen wurden die Möglichkeiten der südafrikanischen Linken unter Präsident Jacob Zuma lebhaft diskutiert.

Die Abschlussrunde setzte sich mit der Frage auseinander, wie eine künftige Zusammenarbeit linker Kräfte Europas und Afrikas gestaltet werden müsse. Auf dem Podium stellten Hüseyin Aydin, Timothy Kondo und Oumar Mariko, der für die linkssozialistisch orientierte Partei SADI Abgeordneter im Parlament Malis ist, ihre Positionen zur Debatte. Zum Teil kontrovers wurden die Möglichkeiten einer geeinten afrikanischen Linken, die Zusammenarbeit mit sozialdemokratischen Parteien und NGOs, die Perspektiven und Gefahren von Regierungsbeteiligungen sowie Fragen zur Reform der deutschen und europäischen Entwicklungspolitik diskutiert. Einigkeit bestand bei Publikum und Podium darin, dass die erste Aufgabe der deutschen und europäischen Linken darin liege, ihre gesellschaftliche und politische Verankerung in Deutschland und Europa deutlich zu stärken. „Der Kampf gegen den Neoliberalismus und dessen Auswirkungen, gegen Sozialabbau und unfairen Handel muss von euch hier in Deutschland vor allem vor Ort ausgetragen werden“, forderte Timothy Kondo. „Das wäre für uns in Afrika die bestmögliche Unterstützung.“

Ein sehr konkretes Ergebnis dieser Tagung war eine von den aus afrikanischen Ländern angereisten Linken getroffene Vereinbarung über die zukünftige Zusammenarbeit. Damit sollen der Informationsaustausch, die programmatische Kooperation und die Koordinierung der Aktivitäten zwischen den einzelnen Staaten verbessert werden.