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Lesen gegen das Vergessen

Nachricht von Gesine Lötzsch,

Am Freitag ist Brückentag. Viele Berlinerinnen und Berliner nutzen die freie Zeit, um ins Grüne zu fahren. Es kommen aber auch viele Menschen an diesem langen Wochenende nach Berlin. Die Stadt wird voll sein. Wir erwarten viele Gäste zum „Lesen gegen das Vergessen“.

Die Zeitungen sind voll von Berichten über den NSU-Prozess in München. Wer die Berichte liest, dem wird klar, dass das Problem allein juristisch nicht zu lösen ist. Wir wollen mit unserer Veranstaltung viele Menschen erreichen, die nicht vergessen wollen oder solche, die gar nicht wissen, was vor 80 Jahren auf dem Bebel-Platz passiert ist. Am 10. Mai 1933 hatten die Nazis auf dem Berliner Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz, unter dem Gejohle mehrerer hundert Studenten Bücher verbrannt. Es waren vor allem Schriftsteller, die sich humanistischen Werten, dem Pazifismus, sozialistischen und kommunistischen Ideen verpflichtet fühlten, deren Werke Opfer des Feuers wurden. Von den betroffenen Schriftstellern war damals einzig Erich Kästner bei der faschistischen Terroraktion auf dem Berliner Opernplatz zugegen. »Und im Jahre 1933 wurden meine Bücher in Berlin, auf dem großen Platz neben der Staatsoper, von einem gewissen Herrn Goebbels mit düster feierlichem Pomp verbrannt. Vierundzwanzig deutsche Schriftsteller, die symbolisch für immer ausgetilgt werden sollten, rief er triumphierend bei Namen. Ich war der einzige der Vierundzwanzig, der persönlich erschienen war, um dieser theatralischen Frechheit beizuwohnen. Ich stand vor der Universität, eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniform, den Blüten der Nation, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners«, beschrieb Kästner die damaligen Vorgänge im Vorwort seines Werkes »Kennst du das Land, in dem die Kanonen blühen?«.

Solche Bücherverbrennungen wurden indes nicht nur in Berlin, sondern auch in fast zwei Dutzend weiteren Städten öffentlich inszeniert. Um an die Opfer dieser faschistischen Barbarei zu erinnern, werden am Freitag unter anderem Elfriede Brüning, Stefan Bergel, Daniela Dahn, Heidi Kloor, Dieter Mann, Gisela May, Gregor Gysi, Roland Claus und Gesine Lötzsch aus den Büchern der betroffenen Publizistinnen und Publizisten vorlesen. Es wird ein echtes Bücherfest!
 

linksfraktion.de, 8. Mai 2013