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Legal Highs: Symbol für gescheiterte Drogenpolitik

Im Wortlaut von Frank Tempel,

 

Von Frank Tempel, Leiter des Arbeitskreises Demokratie, Recht und Gesellschaftsentwicklung und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Die zunehmende Verbreitung von sogenannten neuen psychoaktiven Substanzen (NPS) ist ein Symbol für die gescheiterte Drogenpolitik. Die hauptsächlich auf Repression und Strafe setzende Verbotspolitik trägt dazu bei, dass Produzenten und Konsumenten von berauschenden Substanzen auf Rechtslücken zurückgreifen. Allein im Jahr 2014 sind in Europa 101 neue Substanzen festgestellt worden, die chemisch nur minimal verändert wurden, um das Verbot zu umgehen. Ein ganzes Stoffgruppenverbot wie durch den Kabinettsbeschluss der Bundesregierung angestrebt, wird das Katz-und-Maus-Spiel mit unkalkulierbaren Risiken verschärfen. Nur gänzlich neue Wege in der Drogenpolitik schaffen Abhilfe.

NPS werden unter anderem als Spice, Badesalze oder Kräutermischungen angeboten und überwiegend über das Internet vertrieben. Wegen des teils fehlenden betäubungsmittelrechtlichen Verbots werden sie auch Legal Highs genannt. Die Bundesregierung versucht seit Jahren immer wieder, NPS nach ihrem Auftauchen möglichst schnell betäubungsmittelrechtlich zu verbieten. Daher werden immer neue Substanzen in immer größerer Zahl auf den Markt geworfen.

Unfähigkeit dokumentiert, alte Wege zu überdenken

Die Bundesregierung sieht offenbar ein, dass dieser Wettlauf nicht zu gewinnen ist und schlägt nun ein eigenes Strafgesetz für NPS vor. Demnach sollen ganze Substanzklassen ungeachtet ihrer Wirkungen, konkreter Schädlichkeit und ohne diesbezügliche Untersuchungen verboten werden. Dies ist ein Eskalationsschritt, der letztlich die Unfähigkeit dokumentiert, alte Wege zu überdenken. Durch das Verbot von ganzen Stoffgruppen sind weitere Ausweichreaktionen der Drogenhersteller in Richtung immer riskanterer neuer Substanzen zu befürchten. Aber chemisch neuartige Stoffe sind in ihren Wirkungen noch weniger berechenbar.

Gerade das Verbot von Betäubungsmitteln ist ein Hauptanreiz für den Bezug von tatsächlich oder vermeintlich legalen NPS. Statt gut untersuchter Substanzen werden so Stoffe konsumiert, die kaum einschätzbar und möglicherweise noch deutlich gefährlicher als bekannte Drogen sind. Im Jahr 2015 verursachten sie in Deutschland 39 Todesfälle. Etwa zwei Drittel der beim Bundeskriminalamt erfassten NPS-Drogen sind synthetische Cannabinoide.

Regulierten Zugang zu Cannabis schaffen

Wäre Cannabis mit seinen bekannten Rauschwirkungen und Gefahren legal und in kontrollierter Qualität erhältlich, würden sich wohl nur wenige Menschen für den erwünschten Rausch unbekannten Gesundheitsrisiken aussetzen. Deswegen müssen wir endlich einen regulierten Zugang zu Cannabis schaffen, der den nichtkommerziellen Bezug von Cannabis zum Eigenbedarf ermöglicht (Antrag: "Legalisierung von Cannabis durch Einführung von Cannabis-Clubs").

Das Betäubungsmittelverbot ist nicht geeignet, das Angebot oder die Nachfrage nach Drogen sowie die drogenbedingten gesellschaftlichen und gesundheitlichen Schäden wirksam zu reduzieren. Bei den NPS, die größtenteils über den internationalen Onlinehandel bezogen werden, läuft der Verbotsansatz vollends ins Leere. Er kann kaum wirksam durchgesetzt werden.
Daher müssen die Auswirkungen des Betäubungsmittelrechts endlich wissenschaftlich fundiert untersucht werden (Antrag: "Beabsichtigte und unbeabsichtigte Auswirkungen des Betäubungsmittelrechts überprüfen"). Dafür ist die ganze Bandbreite an Expertinnen und Experten aus Rechtswissenschaft, Suchthilfe, Sozialarbeit, Konsumierendenverbänden, Medizin, Kriminologie, Public Health, Erziehungswissenschaft und Polizei einzubeziehen.

linksfraktion.de, 4. Mai 2016