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Langzeitarbeitslose nicht als Niedriglohnreserve missbrauchen

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Die Bundesregierung sieht keine datenrechtlichen Probleme bei der Umsetzung der Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose vom gesetzlichen Mindestlohn. Dies hatte kürzlich noch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten thematisiert. Danach würde der Sozialdatenschutz der Betroffenen es nicht erlauben, Angaben über persönliche Verhältnisse an Dritte wie z.B. mögliche Arbeitgeber zu machen.

Nach Angaben der Bundesregierung sollen Langzeitarbeitslose nun von der Bundesagentur für Arbeit eine Bescheinigung über ihren Status erhalten. Bei einem konkreten Stellenangebot soll „ein Einverständnis der langzeitarbeitslosen Person zur Datenübermittlung an den Arbeitgeber eingeholt“ werden, so die Bundesregierung auf eine Anfrage von Sabine Zimmermann. Das Gesetz über den Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde tritt ab dem 1. Januar 2015 in Kraft und sieht vor, dass Arbeitslose, die ein Jahr oder länger ohne Job waren, in den ersten sechs Monaten ihrer Neubeschäftigung kein Recht auf eine Bezahlung in Mindestlohnhöhe besitzen.

„Erwerbslose dürfen nicht als Niedriglohnreserve missbraucht werden. Es ist mehr als zynisch, Menschen eine amtliche Bescheinigung auszustellen, dass sie vom Mindestlohn ausgenommen sind, und ihren Datenschutz auszuhebeln. Die diskriminierende Ausnahmeregelung muss gekippt, die Betroffenen bei der Suche nach einer ordentlich entlohnten Arbeit unterstützt werden“, fordert Sabine Zimmermann.

Die stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE weist darauf hin, dass die Ausnahmeregelung potenziell über eine Million Langzeitarbeitslose betrifft. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit haben im zurückliegenden gleitenden Jahresabschnitt 185.000 Langzeitarbeitslose eine Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt aufgenommen (November 2013 bis Oktober 2014). Neun Prozent wurden durch Lohnkostenzuschüsse gefördert. Bleibt es bei der vorgesehenen Ausnahmeregelung, können die Betroffenen zunächst mit Stundenlöhnen unter 8,50 Euro bezahlt werden, sofern in den Betrieben kein höherer Tarifvertrag gilt. Erst ab dem siebten Beschäftigungsmonat würde ein Anspruch auf den Mindestlohn entstehen.

Sabine Zimmermann befürchtet zudem einen Drehtüreffekt. Arbeitgeber könnten für Tätigkeiten mit kurzer Anlern- und Einarbeitungszeit auf Langzeitarbeitslose zurückgreifen, diesen keinen Mindestlohn zahlen, aber mit dem sechsten Beschäftigungsmonat wieder kündigen, um dann erneut andere Langzeitarbeitslose einzustellen. Damit wäre die Ausnahmeregelung nicht nur diskriminierend und eine Einladung zur Umgehung des Mindestlohns. Sie wäre auch arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv, weil den Betroffenen eine dauerhafte Beschäftigung verwehrt würde. Schon heute haben 40 Prozent der Langzeitarbeitslosen sechs Monate nach Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ihren Job verloren. Bei den Nichtlangzeitarbeitslosen sind es nur 30 Prozent. Das geht ebenfalls aus den Daten der Bundesagentur für Arbeit hervor.

Für die Betroffenen ist die Lage nicht einfach. Viele Erwerblose befinden sich in einer Zwangslage. Von einem freiwilligen Einverständnis zur Datenübermittlung an Arbeitgeber zu sprechen, entbehrt jeder Wirklichkeit. Arbeitslose können sich dagegen wehren und sind nicht verpflichtet, ihren Status gegenüber einem Arbeitgeber offen zu legen. Aber dann bleibt die Frage ihres Lebenslaufes, in der die Phase ihrer längeren Erwerbslosigkeit geschönt werden müsste. Das alles zeigt die Irrsinnigkeit der Ausnahmeregelung, die letztlich dazu führt, ein legales Niedriglohnsystem zu etablieren.

linksfraktion.de, 4. Dezember 2014