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Landwirtschaft braucht Zukunft

Im Wortlaut von Kirsten Tackmann,

Zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche demonstrierten am 18. Januar 2014 in Berlin mehr als 30 000 Menschen für eine bäuerliche und ökologischere Landwirtschaft und gutes Essen. Eine Teilnehmerin trägt ein Plakat mit der Aufschrift »Fairplay im Kopf, Vielfalt im Topf«. Foto: Jakob Huber/Campact


Von Kirsten Tackmann, für DIE LINKE Obfrau im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Die Internationale Grüne Woche 2014 ist Geschichte. Wieder haben sich über 400 000 Menschen durch die berauschend vielfältige Welt kulinarischer Genüsse, durch Tier- und Blumenhalle gedrängelt. Eine verführerische Welt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Sinne wurden bis zum  Überforderungsmodus gereizt, in dem viele Eindrücke nicht mehr verarbeitet und Angebote nicht mehr wahrgenommen werden, weil die nächste Halle vielleicht noch Interessanteres, Günstigeres, Exotischeres bietet. Das erinnert an Buridans Esel, der zwischen zwei Heuhaufen verhungerte, weil er sich nicht entscheiden konnte, welchen er zuerst fressen sollte.

Wer genug Geld hat, wird oft mehr gekauft, getrunken und gesessen haben, als eigentlich geplant. 100 Euro hat im Durchschnitt jede Besucherin und jeder Besucher auf der Messe ausgegeben. Geld für die Illusion einer heilen Welt des bunten Überflusses gesunder, regional erzeugter und fair bezahlter Lebensmittel. Viele der Ausstellerinnen und Aussteller werden hoffen, den Werbeeffekt der Grünen Woche für geschäftliche Erfolge nutzen zu können. Denn natürlich zeigt die Messe auch, welches wirtschaftliche Potenzial Lebensmittelerzeugung hat. Oder besser gesagt: haben könnte, wenn es nachhaltig genutzt wird. Davon aber ist der reale Alltag im Supermarkt weit entfernt.

Kein Wunder, dass DIE LINKE ein ambivalentes Verhältnis zum Ereignis hat. Gut finden wir den Jahrmarkt der Weltoffenheit, der regionalen Vielfalt und neuer Ideen oder Problemlösungen. Und der spannenden Diskussionen, die ja auch auf und am Rande der Grünen Woche stattfinden. Einige Jahre haben wir sie an einem eigenen Stand selbst geführt. Vielleicht 2015 auch wieder. Themen gibt es in Hülle und Fülle. Lebensmittelverschwendung, Lebensmittelpreise, Regionalität, Tierhaltung, Flächenkonkurrenz zwischen Teller, Tank und Trog, Spekulationen mit Lebensmitteln, Äckern und Weiden oder die Rolle nicht-landwirtschaftlicher Investoren und Geschäftsmodelle in der Landwirtschaft, bei denen der Geschäftsführer nur noch einmal in der Woche vorbeischaut und prüft, ob das Lohnunternehmen seinen Auftrag erfüllt hat.

Es ist gut und richtig, dass immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wissen wollen, wo die Lebensmittel herkommen und wer sie unter welchen Bedingungen produziert. Und dass sie eine Diskussion mit der Landwirtschaft auf Augenhöhe einfordern. Gut, dass unterdessen auch der Berufsstand seine Blockadehaltung aufgegeben hat und ernsthafter mitdiskutiert. Das eröffnet die Möglichkeit, aus dem Schubladendenken aus- und in die aus Sicht der LINKEN richtige Diskussion einzusteigen, in der es nicht mehr um „Großbetriebe“ gegen „bäuerliche Familienbetriebe“ oder „guter“ Ökolandbau gegen „böse“ konventionelle Betriebe geht.

Probleme in der aktuellen Landwirtschaft sollen und müssen offen und ehrlich benannt und Lösungen gesucht werden. Dazu gehören ökologische Probleme wie der Verlust an biologischer Vielfalt auf und neben Äckern, in Ställen und auf Weiden, Megaställe oder zu hohe Tierdichten in einigen Regionen. Während diese Konflikte bereits breit diskutiert werden, sind die sozialen Brennpunkte noch viel zu oft unterbelichtet. Zum Beispiel, wie in Zukunft der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden soll, wenn landwirtschaftliche Erzeugnisse nicht fair bezahlt werden und Boden- und Pachtpreise weiter in Höhen getrieben werden, die mit landwirtschaftlicher Arbeit nicht refinanzierbar sind. Oder wie gesichert werden kann, dass Discounter und Verarbeiter etwas weniger und landwirtschaftliche Betriebe etwas mehr Gewinn machen, damit die Landwirtschaft nachhaltiger und tiergerechter produzieren kann und trotzdem Lebensmittel nicht zwangsläufig teurer werden müssen und auch mit niedrigem Haushaltseinkommen bezahlbar bleiben. Der agrarpolitische Auftrag an uns LINKE lautet deshalb, die Systemfehler mit unserem Plan B zu beseitigen. Und zwar mit den Landwirten – egal ob im Familienbetrieb oder in Genossenschaften.

linksfraktion.de, 27. Januar 2014