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Länder uneins über Energiewende

Im Wortlaut,

Bundesrat billigt Atomausstiegskonzept / Gesetz zur Gebäudesanierung gescheitert

Von Marian Krüger

Der Bundesrat billigt den Atomausstieg bis zum Jahr 2022. Aber nicht das gesamte schwarz-gelbe Gesetzespaket wurde von der Länderkammer durchgewunken. Das umstrittene Gesetz zur Gebäudesanierung scheiterte.

Der viel beschworene Konsens der Länder in der Energiewende dürfte seit der gestrigen Bundesratssitzung zerbrochen sein. Was sich in der Länderkammer abspielte, war ein offener Schlagabtausch zwischen SPD- und CDU-geführten Ländern, der aufgrund der Mehrheitsverhältnisse jedoch im Patt endete. Zuerst ließen die CDU-Länder sämtliche Anträge auf Anrufung des Vermittlungsausschusses, die zu fünf der Begleitgesetze des Atomausstieges auch mit ihren Stimmen in den Ausschüssen des Bundesrates gefasst wurden, durchfallen. Dann scheiterte das umstrittene Gesetz zur Gebäudesanierung. Derzeit haben weder die unionsgeführten Länder (25 Stimmen) noch die von SPD und Grünen geführten Länder (30 Stimmen) die Mehrheit. Zwischen diesen beiden Blöcken stehen die verbliebenen großen Koalitionen in Ostdeutschland und die Jamaika-Koalition im Saarland (zusammen 14 Stimmen), die sich bei politischen Differenzen der sie tragenden Parteien enthalten. Ein Vermittlungsverfahren ist nach dem Scheitern des Gesetzes trotzdem unvermeidlich. Damit könnten die düpierten SPD-Länder jedoch die Chance ergreifen, auch die Kritikpunkte an den anderen Gesetzen in den Verhandlungen anzusprechen.

Die SPD- und CDU-Länder hatten sich in den Ausschüssen auf handfeste Forderungen gegen den Bund geeinigt. Vor allem ging es darum, dass die Länder, die Steuerausfälle, die mit dem Gebäudesanierungsgesetz verbunden sind, komplett ersetzt haben wollen. Für das dafür beantragte Vermittlungsverfahren hatten sie bereits Bayern mit der Koordinierung der Länderseite beauftragt. Doch die Unionsministerpräsidenten sind dann offenbar unmittelbar vor der Sitzung aus der Front ausgeschert und begnügen sich nun mit unverbindlichen Protokollerklärungen der Kanzlerin, ihre Anliegen zu prüfen. »Dagegen ist weiße Salbe ein äußerst wirksames Heilmittel«, höhnte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Man habe sich nicht die Nächte in den Verhandlungen um die Ohren geschlagen, um am Ende vom Bund mit Protokollnotizen abgespeist zu werden. »Ich dachte«, so Beck, »auf die Bayern ist Verlass.« Aber damit sei es wohl vorbei.

Die Auseinandersetzung um die Kosten des Gebäudesanierungsprogramms, die für die Länder bis 2019 in die Milliarden gehen, ist zwar der offensichtlichste Konfliktpunkt. Es geht aber um mehr. Mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vollzieht die Bundesregierung im Windschatten des allgemeinen Hochjubelns des Atomausstiegs einen knallharten Schwenk in der Förderpolitik zugunsten von Betreibern großer Windparks auf dem Meer und Biomasseanlagen auf dem Land. Für viele der kleinen, lokalen Wind- und Solaranlagen gibt es dagegen sogar noch Verschlechterungen. Auch die Forderungen der Länder, die Energiewende für Unternehmen mit hohem Strom- und Gasverbrauch abzufedern, stießen auf taube Ohren.
So sucht die Union die Konfrontation und läuft sich für den Bundestagswahlkampf warm, in dessen Vorfeld sie SPD und Grüne als Bremser in die Ecke stellen will. Ob das eine kluge Strategie ist, steht auf einem anderen Blatt. Der scheidende saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) warnte in seiner letzten Rede im Bundesrat eindringlich davor, die Energiewende zur »neuen sozialen Frage« werden zu lassen, weil Menschen die steigenden Preise für Strom und Mobilität nicht mehr zahlen könnten. Ein Problem, das auch Vertreter der SPD ansprachen, wofür es aber kaum konkrete Initiativen gibt. Staatliche Strompreisregulierung und verpflichtende Stromsozialtarife fordert bislang nur die Linkspartei.

Neues Deutschland, 9. Juli 2011