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Kundus-Untersuchungsausschuss: Verantwortung abgestritten

Nachricht von Paul Schäfer,

 

Sofort-Info Nr. 20   Zur letzten Zeugenvernehmung des Kundus-Untersuchungsausschusses waren Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ehemalige Außenminister Frank Walter Steinmeier geladen. Um die politische Verantwortung sollte es gehen, und erwartungsgemäß fanden beide, der gerecht geworden zu sein. Kommunikationspannen und Fehlinformationen wurden zwar eingeräumt – Berichte waren nicht rechtzeitig zur Hand, um in Regierungserklärungen einzufließen, Opferlisten blieben auf dem Dienstweg stecken. Schuld daran soll indessen das Verteidigungsministerium sein – wo die damals Verantwortlichen ohnehin nicht mehr wirken.  Dabei klagte Steinmeier – merkwürdig schwankend zwischen Regierungs- und Oppositionsargumantation zwar, nicht umfassend informiert worden zu sein, fand das aber andererseits auch nicht besonders schlimm. Das Außenministerium, soviel wurde jedenfalls erneut deutlich, hat beim sogenannten „vernetzten Ansatz“ deutscher Afghanistanpolitik nicht allzuviel mitzureden und hüllt sich lieber in Nichtwissen als sich an militärischen Details die Finger schmutzig zu machen.   Bundeskanzlerin Merkel immerhin ließ Unzufriedenheit mit der Informationspolitik des damaligen Verteidigungsministers Jung erkennen: Seine frühe Festlegung und sein langes Beharren auf eine Leugnung ziviler Opfer, ließ Merkel durchblicken, habe sie gestört und sei erst nach ihrem Einschreiten korrigiert worden. Warum sie dann allerdings nicht nur an Jung festhielt, sondern ihn auch ins nächste Kabinett berief, konnte Merkel nicht zufriedenstellend beantworten.   Im eigenen Zuständigkeitsbereich indessen findet Merkel, alles richtig gemacht zu haben: Das Versprechen umfassender Aufklärung? Erfüllt, sagt Merkel, es liege doch ein Abschlußbericht der NATO vor. Dass dieser Bericht als „geheim“ eingestuft ist, dass die Bundesregierung sich um eine eigene Untersuchung des Vorfalles gedrückt hat – stört nicht, sagt Merkel, die Öffentlichkeit müsse ja nicht immer alles erfahren.    Der Umgang mit den zivilen Opfern des Bombenangriffs? Untadelig, sagt Merkel, obwohl ja nicht so klar sei, wer alles ziviles Opfer sei – was auch für die minderjährigen Verletzten in den Krankenhäusern gelte. Dennoch habe es Entschädigungen gegeben, die zwar nicht Entschädigung heißen durften und auch nicht besonders gerecht verteilt wurden, aber immerhin nett gemeint gewesen seien. Eine Geste der Entschuldigung? Gab es, sagt Merkel, der eine oder andere ihrer Mitarbeiter habe bestimmt den Gouverneur von Kundus angerufen und Bedauern ausgedrückt. Dass es – anders als üblich – keine direkten Kontakte zu den Dorfgemeinschaften der Opfer gab, und dass der Gourverneur von Kundus die Opfer pauschal als Taliban bezeichnet hatte und dass die Hinterbliebenen das Procedere für unangemessen halten, stört nicht, sagt Merkel- in Deutschland sei ja auch nicht immer jeder zufrieden mit der Kommunalregierung, und in Afghanistan seien die Erwartungen ohnehin mitunter recht hoch.   Mit eigenen Bewertungen hielt sich die Kanzlerin auffällig zurück: Dass ihr derzeitiger Verteidigungsminister den Bombenangriff mittlerweile unverhältnismäßig findet, kann sie „verstehen“, und ob sie auch „verstehen“ konnte, dass er ihn vorher schon einmal „zwingend“ fand, habe sie halt niemand gefragt. Überhaupt komme es bei der Bewertung des Angriffes ja immer auf den Standpunkt an. Diese Ausflucht ist mehr als das übliche Teflonkanzlerinnenverhalten: Wer militärischem Handeln mit „Verständnis“ für unterschiedliche „Standpunkte“ begegnet, betreibt eine Entregelung des Krieges und eine Entgrenzung der Gewalt, die weiteren Luftangriffen Tür und Tor öffnet. Dass hinter den Kulissen einiges getan wurde, um auch die juristische Aufarbeitung des Bombenangriffs ins Leere laufen zu lassen, verstärkt dieses Bild.