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Kulturförderung statt Kapitalismus pur

Im Wortlaut von Sigrid Hupach,

 

Von Sigrid Hupach, kulturpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Am 12. November 2014 sollen bei Christie's in New York die beiden Siebdruck-Bilder "Triple Elvis" und "Four Marlons" von Andy Warhol versteigert werden. Erwarteter Erlös: circa 100 Millionen Euro. Dieser Fall hat in den letzten Wochen zu einer hitzigen Feuilleton-Debatte geführt. Denn die Ende der siebziger Jahre für 400 000 D-Mark von der Westspiel GmbH für das Spielcasino Aachen erworbenen Bilder, gehören nach wie vor der landeseigenen Spielbanken GmbH, und damit indirekt dem Land Nordrhein-Westfalen (NRW). Die Westspiel GmbH, die seit einiger Zeit rote Zahlen schreibt, will mit dem im Unternehmen verbleibenden Erlös sein Unternehmen sanieren.

Hier soll also Gewinn nicht mehr allein vom herkömmlichen Glücksspiel, sondern aus der Spekulation mit Kunst gemacht werden. Und das nicht zum ersten Mal: bereits 2006 hatte Westspiel ein Beckmann-Gemälde für 13,9 Millionen Euro verkauft.

Kunst darf für den Staat kein Spekulationsobjekt sein

Jetzt also zwei Warhols. Und die Kunstsammlung des Unternehmens verfügt durchaus noch über mehr. Der Protest kam prompt. Führende Museumsdirektoren aus NRW schrieben öffentlich an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Ihr wird mit dem Verkauf ein "Tabubruch" vorgeworfen, von einem "Präzendenzfall" ist die Rede, dem Ausverkauf öffentlichen Kulturbesitzes.

Ja, öffentliches Kulturgut sollte nie zum Stopfen von Haushaltslöchern auf den Markt geworfen werden. Einmal erworbene Kulturgüter darf der Staat nicht wieder verkaufen oder gar versuchen mit ihnen auf dem Auktionsmarkt spekulative Höchstpreise zu erzielen. Gerade für den Staat darf Kunst keine Geldanlage sein, im Gegenteil: Öffentliche Kunstsammlungen sind Gemeingut aller Bürgerinnen und Bürger.

Im Fall der Warhol Bilder ist aber zu bedenken, dass es hier nicht eins zu eins um die Verteidigung öffentlichen Kulturgutes aus Museumsbesitz geht. Die Bilder sind im privaten Besitz der Westspiel und wurden als Ausstattungsstücke des Spielcasinos Aachen erworben. Dass sie jemals in Museumsbesitz des Landes übergehen sollten, stand nie zur Debatte.

Alltag des Kunstmarkts: Kapitalismus pur

Hier werden zwei Bilder versteigert, die jahrelang nahezu unbemerkt und doch allen zugänglich in Casinoräumen hingen und vor vier Jahren dann im Depot verschwanden. Bilder, die nie allein aus Gründen der reinen Kunstwertschätzung erworben wurden, sollen jetzt zur Sanierung der defizitären Finanzlage der Westspiel GmbH genutzt werden.

Was irritiert an der Debatte um die Versteigerung, ist vor allem das, was nicht diskutiert wird:
Zum einen der Zustand des global stetig wachsenden Kunstmarktes. Seit der Finanzkrise fließt mehr Geld als je zuvor in diesen Markt. Astronomische Preise in Millionenhöhe für einzelne Werke und immer neue Kunstmarkt-Affären zu Fälschungen, Preisabsprachen oder manipulierten Auktionen: Kunst ist hier nicht mehr als reines Spekulationsobjekt. Die Forderung einer Regulierung dieses Marktes in seiner neoliberalen Reinform ist dennoch nicht zu hören. Er wird hier nur zum Problem, weil jetzt mit den beiden Warhols geschieht, was Alltag des Kunstmarktes ist: Kapitalismus pur.

Kaum problematisiert wird auch, dass mit dieser Versteigerung geschickt die deutsche Mehrwertsteuer umgangen wird. Und das unter den Augen von Norbert Walter-Borjans, der als Vorsitzender der Finanzministerkonferenz der Länder seit Monaten die neueingeführte Margen-Besteuerung des Kunsthandels blockiert und damit den vollem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent für Kunstverkäufe im Inland erzwingt.

Warum nicht den Erlös in die Kulturförderung des Landes stecken?

Mehrheitlich wird in der Debatte auch das Feindbild des Privatsammlers geschürt. Er horte wertvolle Kunst und bringe die Allgemeinheit damit um diese. Aber wer geht wie um mit der Kunst? Es ist ein Fakt, dass viele Sammlungen in Privatbesitz öffentlich zugänglich sind, sei es als Leihgaben oder in eigenen Museen. Gleichzeitig befinden sich die Museen und Sammlungen in öffentlicher Hand in oft prekärer Lage: Bestände liegen nicht inventarisiert zu großen Teilen in Depots und Ankaufetats sind auf ein Minimum zusammengeschrumpft, Öffnungszeiten werden gekürzt und Eintrittspreise steigen.

Statt eines bloßen medialen Aufschreis brauchen wir ein tatsächliches staatliches Engagement für die öffentlichen Kultureinrichtungen des Landes. Sie müssen finanziell in die Lage versetzt werden, ihrem Auftrag gerecht zu werden. Sollte die Auktion am 12. November tatsächlich stattfinden: Warum nicht den Erlös in die Kulturförderung des Landes stecken oder alternativ mit dem Geld eine Stiftung gründen?

Am 30. Oktober 2014 wird in NRW über ein Kulturfördergesetz debattiert. Wir können nur hoffen, dass der Streit über den Verkauf der beiden Warhol Bilder wenigstens den Anstoß dafür gibt, dass das Land sich ein Kulturfördergesetz gibt, das seinem Namen gerecht wird.
 

linksfraktion.de, 28. Oktober 2014