Zum Hauptinhalt springen

Krisenopfer

Kolumne,

Von Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion

Im Zuge der Wirtschaftskrise verlieren Hunderttausende ihren Job. Nicht wenige rutschen wegen fehlender Jobs nach einem Jahr Arbeitslosengeld I direkt in Hartz IV. DIE LINKE. will das verhindern. Sie schlägt vor, das Arbeitslosengeld I krisenbedingt auf 24 Monate zu verlängern.

Nehmen wir zwei Krisenopfer:

Gerald W. (48) arbeitete bis zum März letzten Jahres bei einem Automobilzulieferer in Baden-Württemberg. Die Krise hat ihn voll erwischt. Er besaß nur einen befristeten Vertrag. Daher war es für das Unternehmen kein Problem, ihn los zu werden. Die Aussichten auf einen neuen Job sind derzeit schlecht. Bis sich die Automobilbranche wieder erholt, kann es noch Monate dauern.

Ramona P. (31) arbeitete bis zum Mai letzen Jahres bei einem Drogerie-Discounter in Sachsen. Ihr Arbeitsplatz fiel einer Umstrukturierung zum Opfer. Ihre Filiale wurde geschlossen. Seitdem sucht sie nach Arbeit, da sie sich weigerte, in einer anderen Filiale des Unternehmens als Leiharbeiterin zur Hälfte des Lohn anzuheuern.

Denn beide sind Opfer der Krise und beiden droht in Kürze der Absturz in Hartz IV. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können jahrzehntelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben: Soweit sie nicht älter als 50 Jahre sind, erlischt ihr Anspruch auf das Arbeitslosengeld I nach spätestens 12 Monaten.
Früher bemaß sich die Zeit nach der Versicherungsdauer. Seit dem 1. Januar 2006 gilt das nicht mehr. Den Hartz-Gesetzen sei Dank. Seitdem droht der schnelle Absturz in Hartz IV. Es ist die Angst davor, die die Betroffenen nachts nicht schlafen lässt. Es ist diese Angst, die viele dazu zwingt, schlechtbezahlte Arbeit anzunehmen. Es ist diese Angst, die es den Arbeitgebern ermöglicht, die Löhne ins Bodenlose zu drücken.

Damit wir uns richtig verstehen. Es geht hier nicht um Einzelfälle. Monat für Monat steigt die Zahl der Arbeitslosengeld I-Empfänger, im letzten halben Jahr insgesamt um 248.824. Finden sie einen neuen Job, dann oftmals unter schlechteren Bedingungen. Einige wagen den Schritt in die Selbständigkeit. Manche gehen in Rente. Es bleiben jedoch zehntausende Krisenopfer, die keine Arbeit finden. Sofern sie nicht älter als 50 Jahre sind, verlieren sie spätestens nach 12 Monaten ihren Anspruch auf das Arbeitslosengeld I und erhalten lediglich das Arbeitslosengeld II, derzeit in Höhe von 359 Euro. Wenn sie „zu viel“ Vermögen haben oder der Partner bzw. die Partnerin „zu viel“ verdient, gibt es selbst dieses nicht.

Nach Angaben der Bundesregierung gingen allein im ersten Halbjahr 2009 106.624 Menschen direkt vom Arbeitslosengeld I in Hartz IV über. Neun von zehn Betroffene beziehen das Arbeitslosengeld 12 Monate oder weniger.

Unser Vorschlag ist einfach: Wir wollen die Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I krisenbedingt von 12 auf 24 Monate verlängern. Das würde Zehntausende vor dem Absturz in Hartz IV und einem drastischen Einkommens- und Vermögensverlusten bewahren. Das würde den Betroffenen wertvolle Zeit für die Suche oder Weiterbildung auf dem Arbeitsmarkt geben. Es würde verhindern, dass die Kaufkraft weiter schrumpft, die Binnenkonjunktur stärken.

Nichts spricht dagegen. Außer einer Politik, die nur die Banken und Besserverdienenden als Krisenopfer begreift.