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»Krieg kann nicht der richtige Weg sein«

Im Wortlaut von Jan Korte,

  Frankreich bittet im Kampf gegen die Terrormiliz IS seine europäischen Partner um Beistand. Jan Korte, Fraktionsvize der Linken im Bundestag, spricht sich im Morgenecho-Interview mit WDR 5 strikt gegen ein militärisches Eingreifen aus.   WDR 5: Ist es für Sie denkbar, dass Deutschland die Bundeswehr tatsächlich an der Seite Frankreichs nach Syrien schickt, um gegen den IS zu kämpfen?   Jan Korte: Nein. Solidarität ist denkbar und selbstverständlich - kriegerisches Engagement ist für uns nicht denkbar. Denn es zeigt sich doch - nehmen Sie Libyen, Afghanistan, Irak, und natürlich auch Syrien: Das militärische Eingreifen hat nichts gebracht. Es ist Teil des Problems und mit der Linken nicht zu machen.   Aber kann man Frankreich tatsächlich die Bitte abschlagen und sagen: Nee, macht Ihr mal alleine?   Nein, man muss nicht sagen: Macht das doch mal alleine. Es gibt natürlich schon Kooperationen, man muss miteinander arbeiten, was die Sicherheitsbehörden angeht. Das findet ja auch alles statt und ist eine Selbstverständlichkeit. Nur: Jetzt in den Krieg zu ziehen, auch mit Beteiligung beispielsweise der Bundeswehr, das kann doch nicht wirklich der richtige Weg sein. Denn was hat denn der Anti-Terror-Kampf gebracht seit dem 11. September? Gucken Sie in den Irak: Der IS ist natürlich auch ein Produkt des Staatsverfalls im Irak. Wir können in Afghanistan sehen, dass das gesamte militärische Eingreifen, der Krieg dort, nicht zu weniger Terror geführt hat. Das ist ein falscher Weg, da brauchen wir eine Umkehr.   In Deutschland ist ja glaube ich auch Konsens, dass man sagt: Die Bundeswehr soll in Syrien nicht aktiv kämpfen. Bundesverteidigungsministerin von der Leyen hat eine ganz andere Idee. Sie sagt: Wenn wir nach Mali gehen, haben die Franzosen viel mehr Kapazitäten, um in Syrien zu kämpfen. Wie sehen Sie diese Idee?   Ja, da ist in der militärischen Logik sicherlich was dran. Aber auch das ist doch kein Weg, zu sagen: Ok, dann engagiert sich die Bundeswehr in anderen Kriegseinsätzen, damit Frankreich dort freie Bahn hat. Wir müssen insgesamt raus aus der militärischen Logik. Sie ist Teil des Problems, und nicht die Lösung. Und selbst wenn dort eine grundsätzlich andere Position hat - was völlig legitim ist -, muss man doch mal eine Bilanz der Einsätze und kriegerischen Handlungen der letzten Jahre ziehen. Und wenn man das tut, egal, wo man politisch steht, ob links oder konservativ, dann kommt man doch wohl unschwer zu der Erkenntnis,dass es in Afghanistan nicht sicherer geworden ist, dass es in Syrien nicht besser geworden ist, und dass es im Irak nicht besser geworden ist. Und deswegen braucht man einen Ausstieg aus der Logik.   Aber Frankreich ist natürlich längst im Alleingang unterwegs in Syrien, und es gibt da durchaus potenzielle Verbündete, die weniger zögerlich sind als Deutschland oder auch Europa - Russland zum Beispiel.   Völlig richtig.   Moskau hat reagiert und gesagt: Super, gemeinsamer Einsatz mit Frankreich - das passt uns ganz großartig in den Kram. Macht Ihnen das Sorgen, diese Allianz?   Was heißt Sorgen. Auch das ist - egal ob Russland, Deutschland oder Frankreich, sich dort in kriegerische Handlungen reinziehen zu lassen, der falsche Weg. Was wir brauchen, ist eine diplomatische Offensive. Was wir brauchen, ist natürlich ein dauerhafter Entzug der Grundlagen des Terrors. Das ist eine Frage von Entwicklungspolitik, das ist eine Frage davon, demokratische Strukturen zu stärken. Und das bedeutet im Übrigen auch, gerade in Europa, nicht zuzulassen, dass es Vorstadt-Ghettos, Nebenstadt-Ghettos gibt, wo Parallelwelten entstehen und ganze Bevölkerungsteile komplett abgeschottet sind von der weiteren Entwicklung. Da muss man ansetzen, das ist zentral. Und der dritte und wesentliche Punkt ist auch, endlich die Kriege einzustellen. Das ist zentral. Sonst kommen wir doch nicht weiter. Es dreht sich immer so weiter, wenn man so weiter macht, wie wir das seit dem 11. September erlebt haben.   Ja, aber jetzt werden Sie mal ganz konkret. Ich glaube nicht, dass Ihnen irgendjemand widerspricht, dass all diese Dinge passieren müssen, auf Dauer. Aber jetzt direkt, in dieser Situation, nach dieser Bedrohung der Terroristen in Paris - was sollen wir konkret tun?   Ja, doch nicht in den Krieg ziehen! Meine Gegenfrage wäre: Fanden Sie es richtig, ist es sicherer geworden, als wir nach dem 11. September in den Krieg gezogen sind gegen den Irak?   Nun habe ich das Glück, dass ich Ihre Fragen nicht beantworten muss - aber ich hätte meine so gerne beantwortet: Was sollen wir denn jetzt konkret tun?   Da haben Sie auch recht. Na, ich habe ja einen ganz konkreten Punkt genannt: Geldquellen austrocknen. Da gibt es einen UN-Beschluss. Der muss durchgesetzt werden. Da muss es Druck auf Saudi-Arabien geben, ganz konkret. Das ist ein zentrales Land in all diesen Auseinandersetzungen - und ein Partner der Bundesrepublik. Das sind zwei ganz konkrete Sachen, die man tun kann. Dann muss man zum Dritten - ganz konkret - endlich die Rüstungsexporte in diese Krisengebiete sofort einstellen. Das sind doch drei ganz konkrete Dinge, die man tun könnte.   Für eine bessere Rezeption weicht die schriftliche Fassung des Interviews an einigen Stellen vom gesendeten Interview ab. Die intendierte Ausrichtung der Fragen und Antworten bleibt dabei unberührt.   Redaktion: Willi Schlichting   Das Interview liegt auf der Website von WDR 5 auch als MP3 vor.

 

 

WDR 5, 18. November 2015