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Krankenhäuser gemeinwohlorientiert finanzieren

Nachricht von Cornelia Möhring,

Bericht von der Anhörung im Gesundheitsausschuss zum Antrag der Linksfraktion

 


Mal wieder wurde bestätigt, was die allermeisten, die schon einmal in einem Krankenhaus waren, am eigenen Leib erleben mussten: In der Anhörung des Gesundheitsausschusses zu unserem Antrag "Krankenhäuser gemeinwohlorientiert und bedarfsgerecht finanzieren" wurde klar und deutlich aufgezeigt, dass das auf Fallpauschalen basierende Finanzierungssystem für Krankenhäuser (DRGs) ein Irrweg ist. Am deutlichsten brachte es die – nicht geladene – Ärztekammer Berlin in ihrer schriftlichen Stellungnahme auf den Punkt: "Wären DRGs ein Medikament, müssten sie sofort vom Markt genommen werden: Fast alle Nebenwirkungen sind eingetreten, praktisch alle Wirkungen sind ausgeblieben."

Dr. Bernard Braun von der Universität Bremen führte aus, was die Nebenwirkungen konkret für den Krankenhausalltag und für die Sicherheit der Patientinnen und Patienten bedeuten. Seit Einführung der DRGs haben sowohl Über- als auch Unterversorgung zugenommen, von ihm befragte Pflegekräfte hätten immer öfter den Eindruck, bestimmte Behandlungen vor allem aufgrund ökonomischer Anreize vorzunehmen. Dazu komme eine wachsende Diskrepanz zwischen medizinischem und pflegerischem Selbstverständnis der Beschäftigten und der tatsächlichen Realität im Krankenhaus. Aufgrund von Arbeitsverdichtung fehle Zeit, um mit Patientinnen und Patienten oder ihren Angehörigen zu reden, aktivierende Pflege komme zu kurz.

Ein knallharter Realitätscheck kam von Niko Stumpfögger von der Gewerkschaft ver.di: Weil auf dem Rücken der Beschäftigten gespart wird, fehlten mittlerweile 162.000 Stellen in Krankenhäusern, 70.000 alleine in der Pflege. Für die Patientinnen und Patienten sei das eine unmittelbare Gefahr für ihre Gesundheit: In einer von ver.di durchgeführten Befragung – dem Nachtdienst-Check – berichteten 60 Prozent der Pflegekräfte von gefährlichen Situationen in den letzten vier Wochen, die durch mehr Personal hätten verhindert werden können. Viele berichteten, es bliebe kaum Zeit für die lebenswichtige Händedesinfektion zum Schutz vor Krankenhauskeimen.

Damit muss endlich Schluss sein! Deshalb fordern wir, dass eine gute Versorgung für alle endlich wieder zum Ziel staatlicher Krankenhausplanung und Finanzierung wird. Markt und Wettbewerb haben in der öffentlichen Daseinsvorsorge nichts verloren. Das Fallpauschalensystem als wettbewerbliches Entgeltsystem ist nicht geeignet, für die Patientinnen und Patienten die optimale Therapie bereitzustellen und die Krankenhäuser in die Lage zu versetzen als Einrichtungen der Daseinsvorsorge entsprechende Angebote vorzuhalten.

Professor Dr. Michael Simon von der Hochschule Hannover verwies darauf, dass das Fallpauschalensystem den Zielen der staatlichen Krankenhauspolitik widerspreche. Krankenhäuser müssen wirtschaftlich gesichert sein, damit sie ihren Versorgungsauftrag erfüllen können. Die Sachverständigen der Regierungskoalition hatten wenig dagegen zu setzen. Sie bauten Pappkameraden auf, um sie dann umzulegen. Es dürfe kein Zurück zu tagesgleichen Entgelten geben – was auch niemand gefordert hat. Diskutiert wurde, ob eine bedarfsgerechte Finanzierung eine Freifahrt zum Geldausgeben für die Krankenhäuser sei. Professor Simon konterte: Es geht um die sichere Finanzierung wirtschaftlich und effizient arbeitender Krankenhäuser. Wir brauchen eine gemeinwohlorientierte Krankenhausversorgung und die Finanzierung des medizinisch und pflegerisch notwendigen Bedarfs.

Darüber hinaus muss der Druck von den Beschäftigten genommen werden. Eine bundesweite und vor allem verbindliche Personalbemessung für alle Krankenhäuser muss schnellstmöglich eingeführt werden. Momentan wählen viele Pflegekräfte die Exit-Strategie, weil sie den Druck nicht mehr aushalten oder frustriert sind, weil sie ihren eigenen Ansprüchen an gute Pflege nicht mehr gerecht werden können. Mehr Personal ist das beste Mittel gegen den viel beschworenen Fachkräftemangel und für eine gute Versorgung!

linksfraktion.de, 14.  April 2016