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Konferenz „UmCARE“ - Für neue Strategien in Gesundheit und Pflege

Im Wortlaut von Harald Weinberg, Pia Zimmermann,

 

Nach der Aktionskonferenz „Care Revolution“ im März 2014 findet nun vom 16. bis 18. Oktober eine Konferenz zu neuen Strategien in Gesundheit und Pflege statt, die gemeinsam von der Rosa Luxemburg Stiftung, der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und dem Care Revolution Netzwerk veranstaltet wird. Ein breites Bündnis von Unterstützerinnen und Unterstützern hat die Konferenz gemeinsam vorbereitet. Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin und Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher erklären im Interview, worum es bei der Konferenz geht.

Was sind die Ziele der Konferenz?

Pia Zimmermann: Der große Erfolg der Care Revolution-Konferenz liegt auch daran, dass es gelungen ist, den vielen Auseinandersetzungen im Bereich der sozialen Dienstleistungen einen gemeinsamen Fluchtpunkt zu geben. Zusammenfassen kann man dies als „Krise der sozialen Reproduktion“. Mit der Zuspitzung der UmCARE-Konferenz auf den Bereich Gesundheit und Pflege wollen wir nun in eine Strategiediskussion eintreten, wie wir ausgehend von konkreten Auseinandersetzungen praktische Politik machen können, welche Konzepte es gibt für eine solidarische und gerechte Pflege- und Gesundheitspolitik und wie sie in die Praxis umgesetzt werden können.

Harald Weinberg: Die Care Revolution-Konferenz hat Akteurinnen und Akteure zusammengebracht und die wichtigsten Probleme sichtbar gemacht. Inzwischen hat es Streiks und Auseinandersetzungen gegeben, beispielsweise um Personalbemessung in Krankenhäusern. Die Probleme und die damit einhergehenden Forderungen haben inzwischen auch die Politik erreicht und werden aktuell im Rahmen des Gesetzesentwurfs zur Krankenhausreform oder zu den Pflegestärkungsgesetzen kontrovers diskutiert. Insofern kann die UmCARE-Konferenz eine starke politische Wirkung entfalten.

Wo sehen Sie Potentiale der Verständigung auf gemeinsame Strategien? Immerhin sind im Feld der Sorgearbeit viele unterschiedliche Personen und Lebenslagen vertreten: Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderungen, pflegende Angehörige – meist Frauen-, Patientinnen und Patienten, körperlich oder psychisch kranke Menschen, Beschäftigte in der ambulanten oder stationären Pflege und Assistenz oder in Krankenhäusern.

Pia Zimmermann: Die Chance, gemeinsame Strategien zu entwickeln, sehe ich in der Debatte um sorgende Tätigkeiten, die man unter dem Begriff „Care“ fasst. Inhalt und Bedeutung dieser Tätigkeiten für die gesamte Gesellschaft stellen wir in den Vordergrund. Aktuell erfährt diese Arbeit kaum gesellschaftliche Anerkennung. Sorge und Pflege und Gesundheit werden – egal ob informell zu Hause oder als Beruf – durch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung vor allem Frauen zugewiesen. Es sind die Töchter, Ehefrauen, Mütter, die die Hauptlast der Pflege tragen. Die Folge ist, dass weder die informell Pflegenden, noch die Pflegekräfte die Anerkennung erhalten, die ihrem gesellschaftlichen Stellenwert entsprechen müsste. Das wird nicht zuletzt in den niedrigen Löhnen und der fehlenden Wertschätzung sichtbar. Hier stellt sich die Frage nach den Bedingungen für eine an Bedürfnissen orientierte Organisation von Pflege- und Sorgearbeit. Wie muss die Gesundheitsversorgung gesellschaftlich organisiert werden und wie kann die Soziale Pflegeversicherung weiterentwickelt werden, damit Pflegende zu guten Bedingungen arbeiten können und Patientinnen und Patienten sowie Menschen mit Pflegebedarf gut ver- und umsorgt werden? Das ist die große Frage, die die Konferenz bewegt.

Harald Weinberg: Alle gemeinsam stehen vor der Frage, ob Pflege- und Sorgearbeit im Sinne des Gemeinwohls organisiert und finanziert werden soll und kann oder ob es ein Bereich sein soll, in der sich profitorientierte Privatunternehmen tummeln und auch öffentliche Träger unter die politisch freigesetzte Marktlogik gezwungen werden. Weil es hier um Menschen geht, sei es als Patienten, als Beschäftigte oder als Angehörige, geht es vor allem darum, die Arbeits- und Pflegebedingungen zu verbessern und die Kommerzialisierung und Profitorientierung zurück zu drängen.

Was bedeutet der Titel der Konferenz? Was verstehen Sie unter „UmCARE“?

Harald Weinberg: Es geht um einen Perspektivenwechsel, also darum, Alternativen zur Ökonomisierung von Gesundheit und Pflege aufzuzeigen. Die sozialen Gräben in Gesundheit und Pflege vertiefen sich durch den neoliberalen Umbau der Sozialversicherungen. Gute Pflege und Versorgung darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Wir möchten unsere Konzepte für eine andere Pflege und Gesundheitsversorgung wie beispielsweise die solidarische Pflege- und Gesundheitsversicherung (Bürgerinnen- und Bürgerversicherung) zur Diskussion stellen. Um gesellschaftlichen Druck gegen die neoliberale Politik der Bundesregierung aufbauen zu können, muss die Zusammenarbeit von Initiativen, gewerkschaftlich Aktiven, außerparlamentarischen Organisationen stärker wirksam werden.

Pia Zimmermann: Pflege ist strukturell unterfinanziert bei einer gleichzeitig starken Orientierung auf Markt und Wettbewerb. Dies steht in einem eklatanten Widerspruch zur weit verbreiteten Vorstellung, dass gute Pflege im Alter und eine hochwertige Versorgung im Krankheitsfall allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollte. „UmCARE“ bedeutet, Sorge- und Pflegearbeit müssen endlich in die Mitte der Gesellschaft und als Bereich der Daseinsvorsorge in gemeinsame Verantwortung.

Was wünschen Sie sich für die Konferenz?

Harald Weinberg: Ich erhoffe mir eine weitere Vernetzung in der Pflege- und Sorgearbeit und eine Politisierung dieses Bereiches. Aus meinem Politikverständnis heraus bedeutet das, dass die Menschen mehr und mehr selbst Einfluss nehmen auf die Gestaltung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen, sich also aus der Fremdbestimmung lösen und zur Selbstbestimmung gelangen. Wir bringen unsere Vorschläge in die Konferenz ein, um sie kritisch und solidarisch diskutieren und überprüfen zu lassen. Wir nehmen Impulse auf, die in unsere politischen und strategischen Überlegungen eingehen. Und wir wollen zur weiteren Selbstermächtigung ermuntern, denn Veränderung braucht Selbstorganisation und nicht Stellvertreterpolitik.

Pia Zimmermann: Mein Wunsch ist die Verstetigung und Verfestigung der bisherigen Zusammenarbeit über das Konferenz-Wochenende hinaus. Für uns als Fraktion im Bundestag ist die kontinuierliche Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Akteurinnen und Akteuren von besonderer Bedeutung. Wir arbeiten nicht im luftleeren Raum, sondern setzen die anderen Parteien gezielt unter Druck. Erfolgskriterium ist für mich die Frage, ob es gelingt, ausgehend von den unterschiedliche Auseinandersetzungen in diesem Bereich, wie beispielsweise die Bewegung für mehr Personal in Krankenhäusern, der Kampf um Anerkennung von pflegenden Angehörigen oder die Selbstorganisierung von Pflege-Migrantinnen eine gemeinsame strategische Perspektive für die unterschiedlichen politischen Ebenen zu entwickeln.

 

Flyer zur Konferenz (PDF)

Programm der Konferenz (PDF)

 

linksfraktion.de, 10. September 2015