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Knackpunkt Kultur

Periodika,

Gedacht war der Brandbrief als Zeichen. Frühzeitig gesetzt, zwei Tage nach der Bundestagswahl im September 2017. Ein Zeichen an die Kulturszene, das die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering initiierte. Mit dem Einzug der AfD sollte nicht alles »klaglos und schweigend« hingenommen werden. Im Gegenteil, es werde mit denjenigen gekämpft, die »einen wichtigen Beitrag für die politische Kultur und für das Weiterdenken der Zukunft« leisten. So Elisabeth Motschmann von der CDU und Mitunterzeichnerin des Appells »Für Freiheit und Vielfalt in Kunst und Kultur«. Aus allen im letzten Bundestag vertretenen Fraktionen hatten Abgeordnete namentlich davor gewarnt, den Vorsitz und die Stellvertretung des zukünftigen Kulturausschusses an die AfD zu geben. Neben den beiden bereits genannten unterschrieben Claudia Roth von den Grünen, Bernd Fabritius, CSU, und von der Fraktion DIE LINKE, Diether Dehm. Darüber hinaus gab es zwanzig Erstunterschriften. Unter anderem von Iris Berben, Schauspielerin, Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste, Olaf Zimmermann vom Deutschen Musikrat und Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts. Der Brief löste eine Welle aus: Innerhalb weniger Tage unterschrieben weitere 25 000 Frauen und Männer aus Kultur- und Kunstbereichen, der Gedenkstättenarbeit, aus Gesellschaft und Wissenschaft.

Diether Dehm, in der Vergangenheit stellvertretender Vorsitzender des Unterausschusses für Auswärtige Kultur und Bildungspolitik, sagt, man könne »nicht prinzipiell alle parlamentarischen Gepflogenheiten über den Haufen werfen«, nur weil die AfD im Parlament sei. Aber »bitte nicht hier«, nicht im sensiblen Bereich der Kultur. Es gäbe »ein schiefes Bild von der deutschen Öffentlichkeit und von der Parlamentsarbeit«, wenn »Höcke-Anhänger oder Auschwitzleugner repräsentativ für den Kulturausschuss« tätig werden würden«. Dehm war einer der Ersten, die Strafanzeige gegen Björn Höcke stellten, als der öffentlich das Holocaust-Mahnmal in Berlin als »Mahnmal der Schande« bezeichnete. Prinzipiell ist Kulturpolitik in Deutschland Ländersache, der Bundestagsausschuss für Kultur und Medien jedoch befasst sich mit der deutschen Erinnerungskultur, der europäischen Kulturpolitik und internationalen Kulturbeziehungen. Die Ausschussmitglieder fahren nach Polen, Griechenland, Israel, in die Ukraine, nach Moskau. »Konsens« sei, so Diether Dehm, wohin auch immer gefahren werde, dass »wir die kulturelle Begleitung eines Friedensgedankens, des Dialogs und demokratischen Ausgleichs« sind. Wie das praktisch geht? Dehm erzählt von einer Reiseepisode mit dem CSU-Mann Peter Gauweiler nach Kiew und Moskau. In Kiew stellte Gauweiler Dehm mit den Worten vor: »Das hier ist mein linker Freund, der ist Marxist – und ich bin konservativ. Wir verstehen uns gut. Warum versucht ihr es nicht mal mit dem Dialog?« In Moskau war es genau umgedreht. »Mit verteilten Rollen«, so Diether Dehm, wurde versucht, »mäßigend auf die Streitparteien einzuwirken«. Bei der »Geschichtsvergessenheit der AfD« wäre das alles »ausgeschlossen«.

Das Signal ist angekommen. Im Kulturbereich, im Parlament, beim Ältestenrat. Letzterer hat allerdings keinen unmittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung der Ausschüsse im Bundestag. Außerdem sind auch im Ältestenrat Vertreter aller Fraktionen, auch der AfD. Der Fraktionsälteste dort ist Alexander Gauland. Ein Mann, der forderte, man solle auf die »deutschen Soldaten beider Weltkriege stolz« sein.

Gisela Zimmer

Mehr unter www.kulturausschuss-schuetzen.de