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Klage der Bundestagsfraktion DIE LINKE vor dem Bundesverfassungsgericht zur Entsendung der deutschen KFOR-Truppe

Nachricht,

Die Bundesregierung hat dadurch, dass sie nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo am 17. Februar 2008 keine erneute Zustimmung zur Fortführung des Bundeswehreinsatzes im Kosovo eingeholt hat, Rechte des Bundestages verletzt.

Seit dem 12. Juni 1999 sind Soldaten der Bundeswehr als Teil der NATO-geführten Internationalen Sicherheitspräsenz (Kosovo Force, KFOR) im Kosovo stationiert. Der Bundestag hatte seinerzeit der von der Bundesregierung beschlossenen deutschen Beteiligung am KFOR-Einsatz zugestimmt.

Die rechtliche Grundlage des KFOR-Einsatzes im Kosovo war die Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates vom 10. Juni 1999. Die Resolution 1244 sieht die Entsendung internationaler ziviler Präsenzen und Sicherheitskontingente unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen vor (Ziffer 5) und bekräftigt im Gegenzug die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Bundesrepublik Jugoslawien (Absatz 10 der Präambel).

Das verfassungsrechtlich verbriefte Recht des Bundestages, über Auslandseinsätze der Bundeswehr zu entscheiden, kann durch die Bundesregierung auf zwei unterschiedliche Weisen verletzt werden:

  1. durch Entscheidungen der Bundesregierung, Auslandseinsätze gänzlich ohne Zustimmung des Bundestages durchzuführen; sowie
  2. durch Entscheidungen, über den rechtlichen Rahmen eines Auslandseinsatzes hinauszugehen.

Im konkreten Fall ist eine Verletzung der zweiten Art gegeben, da die Beteiligung der Bundeswehr als Teil der KFOR im Kosovo nach der Anerkennung der völkerrechtswidrigen Unabhängigkeitserklärung des Parlaments des Kosovo nicht mehr auf den Zustimmungsbeschluss des Bundestages vom 21. Juni 2007 gestützt werden kann. Denn dieser Beschluss machte den Auslandseinsatz ausdrücklich davon abhängig, dass der Einsatz deutscher Streitkräfte von einem Mandat des UN-Sicherheitsrates gedeckt sein müsse. Hierzu heißt es im Zustimmungsbeschluss wörtlich:

„Die Kräfte können eingesetzt werden, solange ein Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen […] vorlieg[t].“

Diese Voraussetzung war damals durch die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates gegeben. Mit der Unabhängigkeitserklärung vom 17. Februar 2008 und der Anerkennung durch die Bundesregierung vom 20. Februar 2008 ist diese Voraussetzung jedoch entfallen. Resolution 1244 deckt(e) nur solche Maßnahmen, die die Verwaltung des Kosovo als Teil der Republik Serbien und nicht als unabhängigen Staat betreffen. Die Unabhängigkeitserklärung und die Anerkennung durch die Bundesregierung haben die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Bundeswehreinsatzes derart deutlich verändert, dass der Einsatz als neuer Einsatz zu werten ist, der weder vom UNO-Mandat noch vom Zustimmungsbeschluss des Bundestages von 2007 gedeckt ist.

Das Ziel der Klage besteht darin, vom Bundesverfassungsgericht eine juristische Klarstellung der Kompetenzen der Bundesregierung einerseits und des Deutschen Bundestages (Handlungs- und Interpretationsspielraum des Parlamentsbeteiligungsgesetzes) andererseits bei Auslandseinsätzen unter sich verändernden Bedingungen zu erhalten.
Wir erwarten, dass das Verfassungsgericht unsere Auffassung bestätigt, dass die Bundesregierung die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr nicht ohne erneute Zustimmung des Bundestages in diesem Einsatz hätte belassen dürfen. Eine solche Zustimmung darf es andererseits nicht ohne neues UN-Mandat geben.
Da sich die Auftragslage faktisch grundlegend geändert hat, wurde der Resolution in Teilen (Internationale Sicherheitspräsenz) die Geschäftsgrundlage entzogen: Die Bundeswehr gewährleistet nun nicht mehr nur die Sicherheit der verschiedenen Volksgruppen bis „zur Schaffung einer politischen Übergangsrahmenvereinbarung“ (Res. 1244), sondern sichert in erster Linie die rechtswidrige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo - gegen den erklärten Willen Serbiens als Gaststaat der KFOR - militärisch ab, sie wird Partei.

Folgerichtig dürfte die Bundesregierung keinen neuen Antrag auf Verlängerung der deutschen KFOR-Präsenz in den Deutschen Bundestag einbringen und der Deutsche Bundestag ebenso wenig eine solche Zustimmung erteilen, bevor es nicht ein neues Mandat (Resolution) durch den UN-Sicherheitsrat gibt. Andernfalls würde das Völkerrecht verletzt werden.

Eine Fortführung der deutschen Beteiligung an KFOR hat keinerlei Völkerrechtsgrundlage in der UN-Resolution 1244; denn durch die Anerkennung des Kosovo ist der ursprüngliche Mandatsauftrag entfallen. Eine neue UN-Resolution kann und wird es nicht geben. Wenn es nach rechtlichen Prinzipien geht, müssen die Truppen abgezogen werden.