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Kinder und Familien in der Corona-Krise – Keine Lobby, keine Stimme?

Kolumne von Dietmar Bartsch,

Von Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Die letzten Wochen wurde viel über die Maßnahmen der Bundesregierung gestritten und im Rahmen der so genannten “Hygiene-Demos” zum Teil absonderliche Theorien geäußert. Kritik am staatlichen Handeln ist wichtig - das haben wir als Opposition im Bundestag an vielen Stellen lautstark gemacht. Wir haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Parlament bei allem mindestens ein Mitsprache-Recht hat. Wir haben vielen wichtigen Themen Gehör verschafft, waren manchmal erfolgreich. So zum Beispiel beim Thema Lohnfortzahlung für Eltern. Die Regierung wollte das Programm auslaufen lassen. Wir haben mit anderen zusammen Druck gemacht. Erfolgreich.

Corona und die Folgen machen viele Probleme noch drängender und Gruppen mit starker Lobby haben sichtbar mehr Einfluss als Gruppen ohne Lobby. Ganz besonders zeigt sich das bei den zunehmenden Wiedereröffnungen. Während die Bundesliga wieder spielen darf, gibt es immer noch keinen Regelbetrieb für KiTas und Schulen. Biergärten öffnen, aber Eltern mit kleinen Kindern werden allein gelassen.

Es lässt sich festhalten: Kinder und Familien, vor allem Alleinerziehende und ihre Probleme werden viel zu wenig gehört. Das liegt nicht daran, dass sie nichts zu sagen hätten, im Gegenteil – sie haben aber häufig keine Zeit, für die Lösung ihrer Probleme zu streiten. Sie zerreißen sich zwischen Kinderbetreuung und Existenzsicherung. Insbesondere Familien mit kleineren Kindern schwimmen derzeit zwischen home schooling und home office.

Der Regelbetrieb von KiTas und Schulen hat leider keine Priorität. Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen ist für viele aus dem Blick geraten. Das ist fatal. Auch deswegen haben wir am vergangenen Mittwoch einen “kleinen Kindergipfel” im Bundestag organisiert.

Vertreterinnen und Vertreter von unterschiedlichen Organisationen und Vereinen kamen auf meine Einladung im Rahmen des Netzwerks gegen Kinderarmut in den Bundestag und tauschten sich über die verschiedenen Probleme von Kinder, Jugendlichen und Familien aus. Und diese sind zahlreich.

Viele Probleme, die es schon bisher in der Kinder- und Jugendarbeit gab, oder auch in der Gewaltprävention, haben sich verschärft. Auch die Sorge über die allgemeine wirtschaftliche Situation nimmt bei Jugendlichen massiv zu. Viele von ihnen berichten über Ängste vor sozialem Absturz. Auch die behelfsmäßige Verlagerung der Schule in den digitalen Raum ist für viele Kinder und Jugendliche ein Problem - manche haben keinen eigenen Computer oder Raum, in dem sie lernen könnten.

Viele Kinder und Jugendliche verzweifeln über die Isolation und die Kontaktbeschränkungen. Die Hilfsanfragen beiM Kinder- und Jugendtelefon des Kinderschutzbundes steigen an. Gerade gefährdete Kinder haben derzeit kaum Zugang zu Hilfsorganisationen, die ihnen außerhalb der Familie sonst helfen. Wir stehen erst am Anfang dieser Krise - gerade für Kinder und Jugendliche und Familien.

Als Linke ist und bleibt es unsere Aufgabe, diesen eine Lobby zu sein. Wir werden jetzt und auch nach der Krise darum kämpfen müssen, dass starke Schultern wesentlich die Kosten der Krise tragen. Eine Vertreterin bei unserem Kindergipfel sagte “Es wird immer da gekürzt, wo der geringste Widerstand ist. Also bei uns.” Ich bin entschlossen, darum zu kämpfen, dass das nicht passiert.