Zum Hauptinhalt springen

Keine Aufrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen!

Im Wortlaut von Christine Buchholz,

Anhörung im Bundestag: LINKE sieht sich in Ablehnung von Kampfdrohnen bestätigt

 

Von Chistine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Am 30. Juni fand die lang erwartete öffentliche Anhörung des Verteidigungsausschusses zum Thema Kampfdrohnen statt. Soll die Bundeswehr mit bewaffnungsfähigen, unbemannten Flugkörpern ausgestattet werden? Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen schwieg zu diesem Thema über Monate und verwies stattdessen beharrlich auf eine breit angelegte ethische Debatte, die diesen Sommer im Bundestag stattfinden solle. Erst danach könne eine Entscheidung getroffen werden.

Doch wenn es nach dem Willen von Frau von der Leyen geht, dann war diese Anhörung am 30. Juni zugleich Anfang und Ende der Debatte. Bereits nach der Hälfte der Zeit – die erste Fragerunde war noch im vollen Gange – stellte sie sich vor die Kameras. Vor dem Anhörungssaal erklärte sie den Medienvertretern in vier Sätzen: Die Anhörung habe verdeutlicht, dass es bei der Frage nach der Beschaffung von bewaffneten unbemannten Flugkörpern nicht um autonome Killer-Drohnen, sondern um den Schutz der Soldaten ginge. Einen Tag später erfährt der Bundestag aus der Presse, dass die Ministerin Drohnen nun für einzelne Kampfeinsätze leasen möchte. Mittelfristig soll laut von der Leyen zusammen mit anderen Staaten eine eigene europäische Kampfdrohne entwickelt werden.

Bereits im Vorfeld wurde deutlich, dass die Ministerin nicht erst eine öffentliche Debatte abwarten würde, um die Aufrüstung mit Kampfdrohnen voranzutreiben. So berichtete die „BILD“-Zeitung vor der Anhörung von einem dreiseitigen internen Sachstandspapier aus dem Ministerium. Daraus gehe hervor, dass sich die Ministerin bereits auf die Beschaffung eigener bewaffnungsfähiger Drohnen nach April 2015 festgelegt habe.

So bestand aus Sicht der Ministerin die Funktion der Anhörung darin, die Argumente für diese Vorfestlegung zu liefern. Die Stichworte lieferten Generalleutnant Hans-Werner Fritz (Befehlshaber beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr), Oberstleutnant André Wüstner (Vorsitzender des Bundeswehrverbandes) sowie der Wehrbeauftragte Hellmut Könighaus (FDP). Sie sprachen viel, doch wiederholten im Grunde genommen immer nur ein einziges Argument: Es ginge bei der Aufrüstung mit Kampfdrohnen darum, Soldaten beizustehen, wenn diese in einem Einsatz wie in Afghanistan unter Beschuss durch feindliche Kämpfer gerieten. Wenn eine Patrouille dringend Unterstützung aus der Luft bräuchte, sogenannten Close Air Support, dann sei die Drohne schneller am Ort als bemannte Fluggeräte.

Es handelt sich um ein klassisches Manöver der psychologischen Kriegsführung nach innen. Eine Waffe wie die Kampfdrohne, die in der Realität bislang fast ausschließlich in offensiven Aktionen zum Einsatz kam, wurde von den Armeevertretern als reines Verteidigungsinstrument zum Schutz von Menschen präsentiert. Umso erstaunlicher, dass weder Königshaus, noch Wüstner, noch Fritz konkrete Beispiele anführen konnten. Auch präsentierten die keine Zahlen, um ihr Argument zu untermauern. Auf die Frage, in wieviel Fällen denn tatsächlich Kampfdrohnen der US-Armee im Einsatz Close Air Support geleistet hätten, wusste Generalleutnant Fritz keine Antwort. Er müsse dies prüfen. Es handele sich eher um eine kleine Zahl.

Tatsächlich greift selbst die mit Kampfdrohnen aufgerüstete US-Armee im Close Air Support etwa in Afghanistan vor allem auf bemannte Fluggeräte wie Hubschrauber zurück. Fritz gab keine Antwort auf die Frage, warum dies so sei.

Denn dies hätte die Aufmerksamkeit auf die Frage nach dem tatsächlichen Einsatzspektrum der Kampfdrohnen gelenkt. Diese Fluggeräte spielen eine immer wichtigere Rolle in jenen Kriegen, wie sie die US-Armee derzeit mit ihren Verbündeten in Afghanistan, Pakistan, Jemen oder Somalia führt. Dies machte der Sachverständige Christoph Marischka von der „Informationsstelle Militarisierung“ (IMI) deutlich. Er hob hervor, dass Drohnentechnologie schon lange existiere. Doch erst in den letzten zehn Jahren habe sie im militärischen Bereich massiv an Bedeutung gewonnen. Im selben Zeitraum kam es zu immer mehr asymmetrischen Kriegen, dem so genannten „Krieg gegen den Terror“.

Dies ist kein Zufall. So bekämpft die US-Armee mit Kampfdrohnen Aufständische in entlegenen und ausgedehnten Bergregionen, in die sie mit gewöhnlicher Infanterie nicht in großer Zahl vorstoßen kann. Mit Kampfdrohnen greift sie dabei sogar über Grenzen hinweg in Ländern an, in denen überhaupt keine US-Truppen präsent sind, wie Jemen oder Pakistan. Ihr eigentlicher militärischer Vorteil gegenüber bemannten Kampfflugzeugen liegt in der langen „Stehzeit“: Sie können stundenlang kreisen, um Lagedaten am Boden auszuwerten. Wird auf Grundlage von computergenerierten Daten schließlich ein Ziel identifiziert, kann sofort gefeuert werden. Deshalb sind Kampfdrohnen auch das Mittel der Wahl, um per Fernbedienung Menschen zu ermorden, die die Geheimdienste der Drohnennationen auf Todeslisten gesetzt haben.

Das heißt aber nicht, dass die Waffen besonders präzise wären, wie es der Begriff von den „gezielten Tötungen“ vortäuscht. Marischka wies darauf hin, dass die Identität der Ziele nicht exakt ermittelt werden kann. Zum anderen vergeht zwischen Mausklick und Einschlag aufgrund der langen Übertragungswege eine kleine Zeitspanne. Um dennoch schnell bewegliche Ziele vernichten zu können, werden Raketen mit besonders starker Sprengkraft eingesetzt. Die Folge sind überdurchschnittlich viele zivile Tote.

Mit dem Schutz von Soldaten hat all das nichts zu tun. Das machte auch der Sachverständige Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) deutlich. Er hob stattdessen hervor, dass Kampfdrohnen die Bevölkerung in bestimmten Gebieten einer ständigen Gefahr aussetzt. Dies erzeugt nicht nur einen unerträglichen psychischen Leidensdruck, sondern bringt die Menschen auch gegen die angeblichen Schutztruppen auf. So würde der Drohneneinsatz laut Dickow „letztlich seine Ziele selber erschaffen – zusätzliche Gegner.“

Insbesondere machte der Physiker Dickow einen Punkt stark, den Ministerin von der Leyen vom Tisch wischen möchte: Dass am Ende der Entwicklung sehr wohl autonom agierende Killerdrohnen stehen könnten. Er argumentiert, dass der derzeitige Stand der Drohnentechnik den „Bediener auf entscheidende Weise abhängig von der Kommunikation mit seinem ferngelenkten Luftfahrzeug“ macht. „Weil dieser Kommunikationsflaschenhals störbar und verfälschbar ist und zudem Latenzzeiten von mehreren Sekunden aufweisen kann – insbesondere bei Teleoperation über Satellitenverbindungen – arbeiten bereits heute Entwickler der Industrie an autonomen Funktionen für den Flugbetrieb“. Im Rüstungswettlauf um immer bessere und schnellere Kampfdrohnen liefe es logisch auf die Verkürzung von Entscheidungs- und Übertragungszeiten hinaus, die zur Entwicklung von entsprechenden elektronischen Assistenzsystemen an Bord der Drohne führen müssten. „Die Kombination aus zunehmender Autonomie und Bewaffnung verdrängt den Menschen aus dem Entscheidungsprozess zum operativen Gewalteinsatz“, so Dickow.

Die Anhörung hat genug Argumente für den sofortigen Ausstieg aus der militärischen Drohnentechnologie geliefert – wenn man sie denn hören wollte. Ursula von der Leyen und die anwesenden Unionspolitiker interessierte es nicht. Sie sind fest entschlossen, dem Wunsch von Luftwaffe und Rüstungsindustrie nach möglichst rascher Aufrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen nachzukommen. Im laufenden Haushalt wurden mit den Stimmen der Großen Koalition für die Jahre bis 2018 und darüber hinaus deshalb rund 300 Millionen Euro für das „System zur abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes“ (SAATEG) reserviert. Die so bezeichnete Ausschreibung schließt die Beschaffung von waffenfähigen Drohnen ein.

Doch die Kampfdrohnen sind derart unpopulär in der Bevölkerung, dass sich der Koalitionspartner nicht offen dazu bekennen möchte. SPD-Verteidigungspolitiker Arnold erklärte nach der Anhörung: „Wir haben im Augenblick überhaupt kein aktuelles Bedürfnis nach einer bewaffneten Drohne“. Es kommt darauf, dass DIE LINKE und die Friedensbewegung den Druck aufrechterhalten, damit sich das in Zukunft nicht ändert. Denn die im Haushalt für militärischen Drohnen reservierten Mittel sind noch nicht ausgegeben. Sie müssen gestrichen werden.