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Kein Rassismus, nirgends!

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Für Sevim Dagdelen geht die Bundesregierung nur unzureichend gegen Diskriminierung in den Institutionen vor

Von Sevim Dagdelen, Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 

 

 

Seit Monaten kommt es im gesamten Bundesgebiet zu gemeinsamen Hass-Aufmärschen von Rassisten, Neonazis und selbst ernannten »besorgten Bürgern« gegen Flüchtlinge. Zugleich werden - wie etwa in Hannover - verschiedene Skandale über gewalttätige Erniedrigungen von Migranten durch Polizeibeamte enthüllt. Hinzu kommt die Zunahme von rassistischen und nationalistischen Äußerungen von Politikern der Großen Koalition im Zusammenhang mit der Griechenlandkrise. Als Beispiele seien nur CDU-Vize Strobl »Der Grieche hat jetzt lange genug genervt« oder SPD-Chef Gabriel »Und wir werden auch nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen« genannt. In dieser Gemengelage nimmt es nicht Wunder, dass die Bundesregierung keinen Rassismus in staatlichen Institutionen zu erkennen vermag.

Erst kürzlich antwortete die Regierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, dass sie in Bezug auf Rassismus »keinen Ansatz für die Feststellung eines Strukturproblems« erkennen könne. Zu kritisierende Einsätze der Polizei werden von den Regierenden einzig zu »subjektiv als unberechtigt empfundene(n) polizeiliche(n) Maßnahmen« umgedeutet.

Dabei müssen viele Menschen tagtäglich gänzlich andere Erfahrungen machen. Sie werden etwa aufgrund ihrer dunkleren Hautfarbe regelmäßig Opfer des sogenannten Racial Profiling und damit von rassistisch motivierten Polizeikontrollen. Obwohl diese Praxis polizeilicher Kontrollen seit Jahren von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International harsch kritisiert und abgelehnt wird, behauptet die Bundesregierung dreist, dass »weder die Höhe des im Verhältnis zu den durchgeführten polizeilichen Maßnahmen festgestellten Beschwerdeaufkommens noch sonstige Indikatoren« auf strukturellen Rassismus hinweisen würden.

Die Realität sieht erwartungsgemäß anders aus. Bereits mehrfach rügte auch die Anti-Rassismuskommission der Vereinten Nationen die Bundesrepublik und bezichtigte die Regierung zum einen, Rassismus nicht ausreichend zu bekämpfen. Zum anderen fehlten in Deutschland geeignete Gesetze, um Rassismus überhaupt verfolgen zu können.

Obwohl das strukturelle Verharmlosen, Wegschauen und Gemauschel der deutschen Sicherheitsbehörden die rassistisch motivierte Mordserie des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) beispielsweise überhaupt erst möglich machte, verleugnet die Bundesregierung den Rassismus, der von staatlichen Behörden ausgeht, auch dreieinhalb Jahre nach der Enttarnung des neofaschistischen Terrornetzwerkes.

Erst vor wenigen Wochen hatte das UN-Komitee zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD) moniert, dass »die staatliche Seite« es in Deutschland weiterhin versäume, »die eigenen systemischen Mängel und das rassistische Motiv« hinter der NSU-Mordserie »zu erkennen«, und mutmaßte, dass der Grund dafür institutioneller Rassismus sein könnte. Zudem kritisierte das Komitee, dass selbst im Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU-Terror »weder spezifisch auf rassistische Diskriminierung noch auf das rassistische Motiv für die begangenen Morde Bezug« genommen werde. »In der Gesamtheit scheinen all diese Elemente auf eine strukturelle Diskriminierung als die eigentliche Ursache für diese Probleme hinzudeuten«, so das Fazit des UN-Komitees.

Dass die Bundesregierung auch nach der überdeutlichen Kritik der Vereinten Nationen nicht bereit ist, das Problem des strukturellen Rassismus auch nur zur Kenntnis zu nehmen - geschweige denn ernsthaft bekämpfen zu wollen - ist vor dem Hintergrund der ausufernden rassistischen Hetze und damit einhergehenden rechten Anschläge in diesem Land unentschuldbar. Dieses Verhalten bereitet den Nährboden für die Rassisten von Pegida, AfD und den von lupenreinen Neonazis.

Anstatt den Schutz der oftmals traumatisierten Flüchtlinge zu gewährleisten und ihnen endlich die ihnen zustehenden sozialen Rechte zu gewährleisten, sieht die Bundesregierung diesem brandgefährlichen Treiben weiterhin tatenlos zu. Sie macht sich damit mitschuldig an der rassistischen Gewaltwelle in Deutschland. Es bedarf massiven Drucks aus der Gesellschaft gegen das organisierte Wegschauen der großen Koalition gegenüber Diskriminierung und Rassismus.


neues deutschland, 17. Juli 2015