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Kabinettchen soll Kassen kurieren

Im Wortlaut,

Regierungskommission für die Einführung einer Kopfpauschale im Gesundheitssystem steht

Von Silvia Ottow

FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler hat es endlich geschafft: Die von ihm seit langem angekündigte Regierungskommission zur künftigen Finanzierung des Gesundheitswesens wurde gestern eingesetzt. Sie besteht aus acht Bundesministern, sozusagen dem halben Regierungskabinett.

Fast fünf Monate hat es gedauert, bis es der Regierung gelang, acht Bundesminister zu einer Kommission zu machen. Das Gremium besteht aus dem halben Kabinett. Neben Rösler sind Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), Innenminister Thomas de Maizière (CDU), Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) darin vertreten. Ob auf Sachverstand aus dem Gesundheitsbereich bewusst verzichtet wurde, war nicht in Erfahrung zu bringen. Allerdings können nach Bedarf Vertreter der Länder, der Koalitionsfraktionen oder externe Experten hinzugezogen werden. Man ahnt es schon: Die Sache kann sich hinziehen. Die Kommission soll am 17. März die Arbeit aufnehmen und hat bereits im Vorfeld heftige Debatten um das Für und Wider der Kopfpauschale ausgelöst.

Die langfristige Umstellung der Finanzgrundlage des Gesundheitssystems auf eine einkommensunabhängige Kopfpauschale (auch Kopf- oder Gesundheitsprämie) hatte im September des vergangenen Jahres Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden, obgleich es schon damals Gegner gab - beispielsweise den bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Inzwischen gesellten sich neben der Bevölkerung, die laut Umfrage mehrheitlich gegen die Kopfpämie votiert, aber leider nichts zu sagen hat, weitere Koalitionsmitglieder zu den Bedenkenträgern. Rösler solle nicht »Tagträumereien über Kopfpauschalen nachhängen«, kritisierte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. »Wenn man für irgendeine große Aufgabe einen zweistelligen Milliardenbetrag an Steuergeldern braucht, muss man sagen, wo er herkommen soll«, wendet Finanzminister Schäuble ein. In der CSU stößt inzwischen sogar das geplante Einfrieren des Arbeitgeberanteils auf Kritik. »Die paritätische Finanzierung als Grundlage eines solidarischen Systems hat sich bewährt«, kritisiert CSU-Fraktionsvize Johannes Singhammer. Kritik an den Plänen des Rösler-Ministeriums kommt auch von den Oppositionsparteien. Gesundheitsexpertin Martina Bunge von der LINKEN im Bundestag hält die Regierungskommission für eine Show. Schon jetzt stehe fest, was dabei herauskommen wird: Kopfpauschale, Privatisierung und Lobbyismus. Das solle noch bis nach der NRW-Wahl verschleiert werden. Doch die solidarische Krankenversicherung wolle man opfern, kommentiert sie.

In Gewerkschaften und Sozialverbänden formiert sich ebenfalls Widerstand. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat auch eine Reformkommission benannt und unter das Motto »Für ein solidarisches Gesundheitssystem der Zukunft« gestellt. Sie konstituiert sich am 10. März in Berlin und besteht aus einer Reihe prominenter Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, Gewerkschaftsvertretern, Einzelsachverständigen sowie den Vorsitzenden der Sozialverbände. Die Regierungskommission bezeichnete DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach als »politischen Elfenbeinturm«. Die Diskussion über die zukünftige Finanzierung der GKV müsse in der öffentlichen Arena und nicht in Hinterzimmern der Ministerialbürokratie stattfinden. Der DGB wolle die solidarische Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung weiterentwickeln. Die gesetzlichen Krankenkassen forderten die Regierung auf, sich schnellsten um die Begrenzung der Gesundheitsausgaben zu kümmern.

Neues Deutschland, 25. Februar 2010