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Junge gegen Alte?

Im Wortlaut von Nele Hirsch,

Nele Hirsch, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. setzt sich in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "Neues Deutschland" mit der Forderung, den Begriff "Generationengerechtigkeit" im Grundgesetz festzuschreiben, auseinander.

Der Begriff »Generationengerechtigkeit« hat in den letzten Jahren eine beachtliche Karriere erlebt. Unter der Überschrift »Manifest der Jungen« versammelt sich hinter diesem Begriff in der gestern erschienenen Ausgabe der Zeitschrift »Cicero« ein illustrer Kreis junger Politikerinnen und Politiker, von denen über den konkreten Inhalt dieser Forderung allerdings nur wenig gesagt wird. Ob es zu einer zukunftsorientierten Politik gehört, sofort aus der Atomkraft auszusteigen, ob die Rüstungsausgaben gesenkt werden und ob das gegliederte Schulsystem abgeschafft werden muss, um den kommenden Generationen eine lebenswerte Perspektive zu bieten? Ihr Konzept der Generationengerechtigkeit hat auf all diese Fragen keine Antwort.

Einigen können sich dessen Anhängerinnen und Anhänger allerdings auf den Grundsatz »Jugend hat Vorfahrt«, dem alle öffentlichen Leistungen untergeordnet werden sollen. Ein Italienischkurs ist demnach bei einem 30-Jährigen eine bessere Investition als bei einem 50-Jährigen und die Zahnspange des Mädchens ist wichtiger als das Gebiss der Rentnerin. Dieses Denken ist unsolidarisch. Erkämpfte soziale Rechte werden reinem Renditedenken untergeordnet und somit faktisch ausgehebelt. Damit ist weder jetzigen noch zukünftigen Generationen gedient.

Die Kernforderung der Initiative »Generationengerechtigkeit ins Grundgesetz« ist ein radikaler Sparkurs. Um kommenden Generationen keinen Schuldenberg zu hinterlassen, werden Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben gefordert. Mit einer zukunftsfähigen Politik hat das nicht das Geringste zu tun. Im Gegenteil: Die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft wird damit zunehmend geschwächt. Die Forderung nach Generationengerechtigkeit verschleiert ein weiteres Mal, dass der Riss in der Gesellschaft nicht zwischen Alt und Jung, sondern zwischen Arm und Reich verläuft. Sie dient somit ausschließlich denen, die von der herrschenden Ungleichheit am meisten profitieren.

Für eine gerechtere Gesellschaft sind nicht vorrangig weitere Artikel im Grundgesetz erforderlich. Gerechtigkeit setzt Umverteilung voraus. Die Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes fordern, dass Eigentum dem Allgemeinwohl unterstellt und bei Bedarf in Gemeineigentum überführt wird.
Dafür gilt es einzutreten, statt unter dem Vorwand von Generationengerechtigkeit die Lebensbedingungen der großen Mehrheit der Gesellschaft weiter zu verschlechtern und den Weg in eine unsolidarische Gesellschaft fortzusetzen.

Die Autorin (27) ist bildungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag.