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Junckers Mogelpackung

Im Wortlaut von Michael Schlecht,

Abgeordnete der Linksfraktion im Europaparlament protestieren bei der Abstimmung über das Misstrauensvotum gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am 27. November 2014 gegen die Steuer- und Sparpolitik der Europäischen Union. Foto: flickr.com/guengl

 


Von Michael Schlecht, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker legt ein „Investitionsprogramm“ über 315 Milliarden Euro auf. Klingt beeindruckend. Die Frage ist nur: Wo kommt das Geld her? Und wo fließt es hin? Ein genauerer Blick zeigt: Junckers Investitionsprogramm ist eine Mogelpackung.

Die Kürzungsprogramme haben die Wirtschaft vieler Euro-Staaten ruiniert, und bremsen die Konjunktur in Europa wie in der ganzen Welt. Die OECD hat die EU gerade als größte Last für die Weltwirtschaft bezeichnet. Die Arbeitslosigkeit liegt extrem hoch, alle Strukturreformen und Lohnsenkungen haben das Problem nur vertieft. Das will Juncker jetzt alles besser machen mit einem Milliarden-Investitionsprogramm!

Seit 2007 ist das Investitionsniveau in Europa um 15 Prozent gesunken, teilt die EU mit. Im Klartext ist das ein Votum der Investoren gegen die EU-Kürzungspolitik: Wo Ausgaben gestrichen und Löhne gesenkt werden, da sackt die Nachfrage weg und da lohnt sich folglich das Investieren immer weniger.

Juncker sieht das anders: Für ihn liegt der Grund für die Investitionsschwäche in einer „allgemeinen Ungewissheit in Bezug auf die Wirtschaftslage“ und einem nebelhaften „Mangel an Vertrauen“. Um die Investitionen anzukurbeln, hat er jetzt ein Milliardenprogramm in Aussicht gestellt: 315 Milliarden Euro über drei Jahre. Das klingt üppig.

Jedoch sollte niemand hoffen, die EU nehme neues Geld in die Hand. Nein, Europa soll ja weiter sparen, rät Juncker. Und höhere Steuern für Reiche soll es auch nicht geben. Ist ja klar, bei einem Kommissionspräsidenten aus dem Steuerparadies Luxemburg. Laut EU-Schätzungen kosten Steuerhinterziehung und -umgehung Europa jährlich etwa 1000 Milliarden Euro.

Juncker will das Geld mit einer wundersamen Geldvermehrung aufbringen: Fünf Milliarden gibt die Europäische Investitionsbank. 16 Milliarden kommen als Garantien von der EU. Damit verfügt der neue „Europäische Fonds für strategische Investitionen“ über 21 Milliarden Euro. Jeder dieser Euro soll nun 15 Euro an privaten Investitionen anreizen. So will die EU mit 21 Milliarden Euro ein Gesamtvolumen von 315 Milliarden herbeihebeln. Das ist reichlich abenteuerlich.

Erstens: Ob das so kommt, ob sich die privaten Investoren bereitfinden, wird sich zeigen. Bislang sind die 315 Milliarden ein bloßes Versprechen. „Diese Zahl ist aus den Sternen gegriffen“, kommentierte OECD-Chefvolkswirtin Catherine Mann.

Zweitens: Auch wenn das Ziel erreicht wird – wie viel davon werden zusätzliche Investitionen sein, also Investitionen, die ohne den EU-Fonds gar nicht stattgefunden hätten? Ein Glück für die EU, dass dies niemals jemand wird nachrechnen können.

Drittens: Selbst wenn alles klappt – die Summe ist zu gering und kommt zu spät. Das Programm kann die Wunden nicht heilen, die die europäische Kürzungspolitik geschlagen hat.
Wir brauchen zunächst einmal einen Stopp der wirtschaftlich unsinnigen und unsozialen Kürzungsdiktate. Darüber hinaus muss ein echtes europaweites Programm mit zusätzlichen Investitionen im Umfang von mindestens 600 Milliarden Euro jährlich aufgelegt werden. Öffentliche Investitionen sind vor allem durch eine EU-weite Vermögensabgabe für Millionäre zu finanzieren.

In Deutschland muss die Binnennachfrage durch höhere Löhne und öffentliche Investitionen massiv gestärkt werden. Ohne zusätzliche Absatzchancen auch in Deutschland für unsere europäischen Partner droht ein europäisches Investitionsprogramm zu einem Konjunkturprogramm allein für die deutsche Industrie zu werden. Das würde zwar die Profite der deutschen Industrie steigern, aber weder den Beschäftigten in Deutschland noch den Menschen anderswo in Europa helfen.