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Juncker muss Verantwortung übernehmen

Im Wortlaut von Richard Pitterle,

 

Von Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Die durch die Luxemburg-Leaks aufgedeckten Steuersparmodelle sind skandalös. Allem Anschein nach konnten auch DAX-Konzerne wie die Deutsche Bank, E.ON und Fresenius Medical Care mit der Hilfe von Wirtschaftsberatern und Luxemburger Behörden hohe Gewinne am Fiskus vorbeischleusen.

Es wird noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten sein, um vollends Licht in das Dunkel dieser Affäre zu bringen. Aber auch wenn es sich bei den Steuersparmodellen letztlich "nur" um das legale Ausnutzen vorhandener Steuerschlupflöcher handeln sollte, müssen bereits jetzt Konsequenzen gezogen werden. Diese müssen zum einen natürlich darin bestehen, schnellstmöglich jene Steuerschlupflöcher zu schließen. Eine generelle Anzeige- und Registrierungspflicht für Steuergestaltungsmodelle, wie die Fraktion DIE LINKE sie schon vor Jahren gefordert hat, wäre hierbei hilfreich. Steuern müssen grundsätzlich dort gezahlt werden, wo die Wertschöpfung stattfindet. Zum anderen muss aber auch jetzt schon personelle Verantwortung für die Geschehnisse übernommen werden.

Hat Juncker nun davon gewusst oder nicht?

Dass Unternehmen wie PricewaterhouseCoopers hier mutmaßlich beteiligt gewesen sind und die Steuersparmodelle überhaupt erst konstruiert haben, ist, selbst wenn diese Modelle legal waren, moralisch zutiefst verwerflich. Solche Steuervermeidungsstrategien gehen vor allem zu Lasten der Allgemeinheit und der vielen ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die nun fassungslos sind, dass die "großen Fische" sich mal wieder so unbehelligt durchmogeln konnten. Es muss jedoch allen bewusst sein, dass solche Beratungsfirmen ihr Handeln eher nicht am Allgemeinwohl, sondern vielmehr am größtmöglichen Profit ausrichten. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich das in absehbarer Zeit auch nicht ändern und daher ist es vor allem Aufgabe der Gesetzgeber, einen Rahmen zu schaffen, der diese Unternehmen zu verantwortlichem Handeln zwingt. Bei den Luxemburger Steuersparmodellen ist aber genau das nicht der Fall gewesen – im Gegenteil, die Luxemburger Behörden saßen mit im Boot.

Das führt natürlich unweigerlich zur Personalie Juncker. Der kürzlich ins Amt gehievte EU-Kommissionspräsident war von 1989 bis 2009 Finanzminister, von 1995 bis 2013 zusätzlich gar Premierminister Luxemburgs und obendrein von 2005 bis 20012 auch noch Vorsitzender der Euro-Gruppe. In diese Zeit fallen auch die Vorgänge um die Steuersparmodelle. Hat er nun davon gewusst oder nicht? Wenn die Recherchen und Berichte um die Luxemburg-Leaks zutreffen, ist das für die Frage, ob er seinen Posten an der Spitze der EU-Kommission nicht besser aufgeben sollte, inzwischen fast schon irrelevant.

Angesichts seiner langen Amtszeit in Luxemburg und der bei allem Respekt doch eher überschaubaren Größe des luxemburgischen Verwaltungsapparates ist der Gedanke zwar eigentlich absurd, aber trotzdem mal angenommen, Juncker hatte keine Kenntnis von den Steuersparmodellen: Dann säße jemand an der Spitze der EU-Kommission, der in mehr als 20 Jahren als Finanz- und Premierminister nur äußerst unzureichend über die Machenschaften in seinem Verantwortungsbereich informiert war – ein eklatanter Mangel an Führungsqualitäten wäre nur allzu offensichtlich.

Im Kampf gegen Steuervermeidung ist Juncker der falsche Mann

Im sehr viel wahrscheinlicheren Fall wusste er um die Steuersparmodelle. Dann ist er aber als Präsident der EU-Kommission, die nun hier Aufklärungsarbeit leisten muss und eigentlich dem Kampf gegen Steuervermeidung verpflichtet ist, nicht tragbar. Denn wie soll man bei dieser Aufgabe einem Mann vertrauen, der zuvor aggressiv Steuerwettbewerb betrieben hat und bewusst in Kauf nahm, dass durch die Praktiken seines Luxemburger Ressorts andere EU-Staaten empfindliche Einnahmeverluste hinnehmen mussten?

Es hilft hier auch nicht weiter, das Prinzip der Unschuldsvermutung zu bemühen. Denn es geht (vorerst) nicht um strafrechtliche Ermittlungen, sondern um das Übernehmen von politischer Verantwortung. Um jene darf man sich nicht einfach drücken. Das muss auch die Bundeskanzlerin erkennen und endlich klar und eindeutig zu der Personalie Juncker Stellung beziehen. Letztlich war sie es nämlich, die Jean-Claude Juncker gegen anderslautende Bedenken als EU-Kommissionspräsidenten durchgesetzt hat.

 

linksfraktion.de, 12. November 2014