Zum Hauptinhalt springen

Jeder Kriegseinsatz ist ein Bumerang

Nachricht,

Von Margret Geitner, Referentin im Arbeitskreis Internationale Politik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestages
 

Hintergrundinformationen zu Mali
  • Das westafrikanische Land galt dem Westen trotz erheblicher Mängel rund um die Wahlen und erheblicher Korruption in den vergangenen Jahren als Musterdemokratie (Pressefreiheit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit).
  • Mali ist eines der ärmsten Länder der Erde. In der Sahelzone ist der Boden für den Anbau etwa von Reis und Gemüse häufig zu trocken, ein Großteil der Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das Land verfügt aber über zahlreiche, allerdings noch nicht erschlossene Bodenschätze. Vermutet werden neben Uranvorkommen auch Erdöl, Erdgas, Gold, Diamanten und Kupfer. Internationale Unternehmen sind schon seit längerem in Mali aktiv, um die begehrten Rohstoffe zu finden.
  • Ursachen für die katastrophale Lage in Mali liegen im Ausverkauf fruchtbarer Ackerböden oder wertvoller Bergbau-Lizenzen an global operierende Investoren – genauso wie eine kaum vorstellbare Plünderung öffentlicher Kassen, die wiederum auch der Grund für den völlig maladen Zustand der malischen Sicherheitskräfte ist, der den Islamisten überhaupt erst die Eroberung des nördlichen Malis erlaubt hat.
  • Mali ist zwar zu etwa 90 % muslimisch, hat aber keine Staatsreligion. Gesetzlich sind keine Parteien mit offen religiöser Ausrichtung erlaubt, gleichwohl haben religiöse Bewegungen Meinungsmacht. Jenseits des Okkupationsgebiets islamistischer Gruppen herrscht in Mali weiterhin ein Klima religiöser Toleranz.

Der aktuelle Konflikt

  • Der Norden Malis gilt schon seit Jahren als Unruheregion wegen der Spannungen zwischen Zentralregierung einerseits sowie Tuareg, der aus dem algerischen Bürgerkrieg in den Süden vertriebenen islamischen Kämpfer und „ganz normaler“ Krimineller (Drogen-, Waffen- und Menschenhandel) andererseits.
  • Ende 2011 weitete sich dies zu einem Bürgerkrieg aus, als schwer bewaffnete Kämpfer aus Libyen dazu stießen. Die aktuelle Situation in Mali ist nicht zuletzt der fatalen Freisetzung jener Waffenarsenale geschuldet ist, die Gaddafi unter anderem aufgrund der verhängnisvollen Geschäftemacherei mit europäischen Firmen aufhäufen konnte – beispielsweise sind allein im Jahr 2010 Waffen im Wert von 344 Mio Euro offiziell aus der EU an Libyen exportiert worden.
  • Im Norden Malis überlagern sich zwei Konfliktlagen: die noch relativ junge Auseinandersetzung mit Islamisten und der seit schon seit der Unabhängigkeit währende Konflikt zwischen Tuareg-Bevölkerung im Norden und malischem Zentralstaat.
  • Militärputsch im März 2012 stand auch im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen im Norden: Die malische schlecht ausgebildete Armee war mehr Kanonenfutter denn wirklicher Gegner. Dagegen meuternde Soldaten und Offiziere waren wichtiger Träger des Putsches. Die Verfassung wurde außer Kraft gesetzt, die für April 2012 angesetzte Präsidentschaftswahl abgesetzt und alle bisherigen staatlichen Institutionen für aufgelöst erklärt. Als Anführer der Putschisten gilt Hauptmann der Streitkräfte Malis Amadou Sanogo.
  • Parallel führten Geländegewinne von zu der Zeit gemeinsam agierenden Rebellengruppen im Norden zum Ausrufen des  Staates Azawad im April 2012. Allianz zwischen den Tuareg und den Islamisten der Gruppe Ansar al-Din ("Verteidiger des Glaubens") sowie der eng mit dem Terrornetz al-Qaida verbundenen Gruppen Mujao ("Bewegung für Einheit und den Dschihad in Westafrika") und AQMI hielt nicht lange. Durch ihre Kampferfahrungen übernahmen die Islamisten kurz nach der Ausrufung von Azawad in Nordmali das Kommando, verjagten ihre einstigen Tuareg-Verbündeten aus den Städten.
  • Der UN-Sicherheitsrat, die Afrikanische Union und die ECOWAS verurteilten den Staatsstreich und belegten die Militärjunta mit Sanktionen; die EU-Kommission kündigte an, ihre Entwicklungshilfe für Mali vorübergehend einzustellen.
  • Sanogo verhandelte mit der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft  (ECOWAS) ein Rahmenabkommen zur Machtübergabe an eine zivile Regierung. Vereinbart wurde, dass der malische Parlamentspräsident Dioncounda Traoré eine Übergangspräsidentschaft übernehmen solle und innerhalb von 40 Tagen Neuwahlen organisieren. Dazu gab am 8. April auch der vormalige Präsident Touré offiziell seinen Rücktritt bekannt.
  • Als Folge der politischen Instabilität, der unsicheren Lage und des mangelhaften Zugangs zu Nahrungsmitteln und Wasser flohen über 250.000 Malier in die Nachbarländer Burkina Faso, Mauretanien und Niger. Außerdem gab es im selben Zeitraum rund 105.000 Binnenflüchtlinge im Norden und rund 69.000 Binnenflüchtlinge im Süden Malis.
  • Im Dezember 2012 gab es dann einen weiteren „kleinen“ Putsch, in dem der Premierminister der Übergangsregierung durch Militärs festgenommen wurde. Kurz danach erklärte er seinen Rücktritt und den Rücktritt seines gesamten Kabinetts.  Am selben Tag wurde Django Sissoko von Präsident Traore zum Interimspremierminister ernannt. Hintergrund sind unterschiedliche Auffassungen zur Rolle der ECOWAS und der internationalen Gemeinschaft im Konflikt mit dem Norden.

Agierende Gruppen im Norden Malis

  • Tuareg, von denen einige im Bürgerkrieg an der Seite Gaddafis gekämpft hatten. Nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes, waren diese in den Norden Malis zurückgekehrt mit offensichtlich größeren Mengen an Waffen. Forderungen der Tuareg sind eine Autonomie oder die Unabhängigkeit der Nordhälfte des Landes.
  • Die aus malischen Islamisten bestehende Bewegung Ansar eddin (arabisch für „Partisanen der Religion“), angeführt von einem malischen Tuareg. Ansar eddin hielt bis zum Eingreifen Frankreichs die drei größten Städte im Norden Malis: Timbuktu/Tombouctou, Gao und Kidal.
  • Ausländische, insbes. algerische Salafisten und Djihadisten. AQMI – „Al-Qaida im Land des islamischen Maghreb“, früher „Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf“ (GSPC).
  • MUJAO („Bewegung für Einheit und Djihad in Westafrika“), eine Abspaltung von AQMI. Wird häufig für einen verdeckten Verbündeten der Machthaber Algeriens gehalten.
  • Die MNLA (Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawad) , die zu Beginn mit Ansar Adine und MUJAO gemeinsam für ein unabhängiges Azawad gekämpft hatte, aber bereits seit Mitte 2012 das von ihnen kontrollierte Territorium an die anderen Gruppen abgeben musste. Ein Sprecher der MNLA erklärte am 15.01., dass die MNLA das Eingreifen der französischen Militärs unterstütze.
  • Auch die USA bilden bereits seit langem im Grenzgebiet Algerien/Mali/Mauretanien Kämpfer gegen die islamistischen Rebellen aus.

Das Malische Militär

  • Das malische Militär ist in einem desolaten Zustand. Seit Jahren schon wurde die Ausbildung und die Ausrüstung der Streitkräfte völlig vernachlässigt.
  • Militärisch besitzt die Armee fast gar keine Schlagkraft und verfügt laut dem amtierenden Verteidigungsminister nur über 200 geländefähige Fahrzeuge, einige altersschwache Panzer aus DDR-Beständen und kaum schwere Waffen. Die Luftwaffe ist völlig auseinandergefallen, von vier noch vorhandenen Hubschraubern sind nur zwei einsatzfähig, Lufttransportfähigkeiten sind gar nicht vorhanden.

Internationale Reaktionen

  • Frankreich forcierte bereits  seit Monaten  eine militärische Intervention in Mali. Frankreichs Intervention hat keinerlei selbstlosen Zweck – schon gar nicht im Namen der Menschenrechte. Neben der Sorge vor einem Rückzugsgebiet von Al Qaida spielen vielmehr die zahlreichen Engagements französischer Firmen in Westafrika eine zentrale Rolle  - 30 % des französischen Urans stammen aus dem benachbarten Niger. Grenzen in der Sahel-Region sind in keinster Weise mit denen in Europa zu vergleichen. Künstlich gezogene Grenzen finden sich im wesentlichen in den europäischen Atlanten, spielen im Sahel bisher nur eine geringe Rolle.  Frankreich fürchtet die Sicherheit der rund 7000 in Mali lebenden Franzosen.
  • Im November 2012 beschloss die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS, eine Truppe aus 3.300 Soldaten nach Mali entsenden. In der Abschlusserklärung des ECOWAS-Gipfels heißt es: Dialog bleibe "die bevorzugte Option für die Lösung der politischen Krise in Mali". Der Rückgriff auf Gewalt könne angesichts der Sicherheitslage aber unvermeidlich sein, "um länderübergreifende Netzwerke von Terroristen und Kriminellen zu zerschlagen".
  • Im Dezember 2012 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat Resolution 2085: In dieser wird ein Militäreinsatz der ECOWAS grundsätzlich gebilligt. Die ECOWAS-Staaten werden ermächtigt, »alle notwendigen Mittel« zu ergreifen, um der Regierung Malis bei der Rückeroberung des Nordens aus den Händen »terroristischer, extremistischer und bewaffneter Gruppen« zu helfen.
  • Die Europäische Union entschied am 17. Januar 2013, etwa 250 Militärausbilder im Rahmen einer Ausbildungsmission nach Mali entsenden. EUTM Mali soll dafür sorgen, dass die Armee des Landes islamistische Rebellen im Norden Malis bekämpfen kann.
  • Zugleich beschloss die EU, finanzielle Unterstützung für den von der ECOWAS in Mali geplanten Kampfeinsatz von 3500 afrikanischen Soldaten.
  • Deutschland plant, mit Transportflugzeugen die Militärintervention zu unterstützen. Konkret sollen 2 Transallflugzeuge eingesetzt werden, um ECOWAS-Truppen nach Mali zu bringen.

Militärintervention Frankreichs

  •  Am 10. Januar startete die französische Armee eine militärische Intervention in Mali. Luftangriffe der französischen Militärs sollten die Vorwärtsbewegungen der islamistischen Rebellen gen Süden stoppen. Mittlerweile sind französische Bodentruppen in Mali und verfolgen augenscheinlich den Plan, die territoriale Integrität des Landes wieder herzustellen.
  • Frankreich berief sich auf den Hilferuf der malischen Regierung und auf UN-Resolution 2085.

Positionen der Linken – Non a la guerre au Mali

  • Alle Erfahrungen mit Kriegseinsätzen der vergangenen Jahrzehnte belegen, dass diese sich letztlich als Bumerang erweisen. In keinem Fall führt die militärische Intervention zu nachhaltiger Befriedung eines Konflikts. Häufig führen sie im Gegenteil zu einer Stärkung der Kräfte, die man vorgab, bekämpfen zu wollen.
  • Die Bevölkerung, die man gegen die Islamisten, Al Qaida, Diktatoren oder gewalttätige Rebellen schützen will, ist in der Regel der größte Leidtragende der Kriegseinätze
  • Konflikte und Widersprüche innerhalb der malischen Gesellschaft können nur im Dialog angegangen und gelöst werden, um zu einer nachhaltigen Veränderung zu kommen . Dazu gehören Überlegungen, wie ein Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Landesteilen und ihren Bewohnern aussehen könnte. Sache der Malier ist es, in einem Dialogprozess nach politischen Lösungen der Staats- und Gesellschaftskrise zu suchen.
  • Dazu gehört schließlich die Anerkennung des Prinzips des Gewaltverbots in den internationalen Beziehungen. Die Regierungen des Westens sollten sich bei jedem innerstaatlichen Gewaltkonflikt mehr und bessere Gedanken machen, als gleich nach dem Militär zu rufen.
  • Die innenpolitische Krise Malis kann nicht durch außenpolitische militärische Intervention gelöst werden.
  • Eine Militärintervention ist als wolle man den Teufel mit Belzebub austreiben oder das Kind mit dem Bade ausschütten: Erst der Krieg in Libyen 2011, in dem Frankreich und weitere westliche Staaten Kriegspartei waren, setzte die Kämpfer und Waffen frei, die gegenwärtig in Mali gegen die französischen Truppen eingesetzt werden.
  • Mit aller Energie zu unterstützen sind zivilgesellschaftliche Initiativen, die schon seit langem, aber auch jetzt und in dieser komplizierten Lage eine Dialoglösung mit den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften in Mali suchen. Wir stellen uns deshalb hinter Initiativen wie dem Aufruf der ehemaligen Kulturministerin Malis Aminata Traoré (Frauen sagt NEIN zum Stellvertreterkrieg in Mali) oder der der Bürgerkarawane für Frieden in Mali.