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»Jeder ertrunkene Flüchtling ist das Opfer unseres Versagens in der Asyl- und Flüchtlingspolitik«

Im Wortlaut von Ulla Jelpke,

Foto: UNHCR

 

 

Von Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Vor beinahe genau einem Jahr sind bei einer Katastrophe auf dem Mittelmeer 800 Flüchtlinge ertrunken. Die EU hat seitdem rein gar nichts dazu gelernt – im Gegenteil: Die Lage für die Flüchtlinge verschlechtert sich zusehends. Jeden Tag sterben schutzsuchende Menschen auf dem Mittelmeer, weil wir ihnen legale Einreisemöglichkeiten verweigern und sie auf gefährliche Fluchtrouten zwingen.

Es wird viel Geld und Aufwand in die Grenzüberwachung und die angebliche Schleuserbekämpfung gepumpt. So werden Flüchtlinge, und nicht Fluchtursachen bekämpft, und die humanitäre Notlage der Schutzsuchenden immer weiter zugespitzt. Trotzdem soll diese Anti-Asylpolitik immer weiter ausgebaut werden. Die einzigen Profiteure dieser Abschottungspolitik sind die Schleuser, die man angeblich bekämpfen möchte. Schutzsuchende sind angesichts geschlossener Grenzen notgedrungen auf deren Dienste angewiesen, je gefährlicher die Routen sind, umso höhere Preise werden verlangt.

Die EU und auch Deutschland erhoffen sich eine Abschreckungswirkung, indem völkerrechtswidrige Abschiebungsabkommen mit der Türkei geschlossen und sämtliche EU-Grenzen einfach dicht gemacht werden. Kürzlich erklärte der deutsche Bundesinnenminister de Maizière, wir müssten jetzt einige Wochen ein paar harte Bilder aushalten. Der Ansatz der Zusammenarbeit mit der Türkei sei richtig und solle nach Möglichkeit noch auf die nordafrikanischen Länder ausgeweitet werden. De Maizière hatte bereits vor eineinhalb Jahren erklärt, die italienische Rettungsmission im Mittelmeer „Mare Nostrum“ sei falsch gewesen, weil sie sich als Brücke nach Europa erwiesen habe. Dabei wären ohne sie und die anderen Rettungsinitiativen noch viel mehr Menschen gestorben.

Die politisch Verantwortlichen müssen endlich einsehen, dass sie mit dieser Anti-Asylpolitik nicht nur für das Leid und den Tod vieler Schutzsuchender verantwortlich sind, sondern dass sie auch einfach nicht funktioniert. Die Menschen, die zu uns fliehen, haben keine Alternative, da es faktisch keine legalen Einreisemöglichkeiten für sie gibt. Und solange wir nicht die Fluchtursachen in den Herkunftsländern mit einer aktiven Friedens- und fairen Weltwirtschaftspolitik angehen, werden weiterhin Flüchtlinge zu uns kommen. Anstatt uns durch dubiose Abschiebeabkommen mit totalitären Staaten wie der Türkei zu verbrüdern, müssen endlich Aufnahme- und Integrationskonzepte erarbeitet werden. Anstatt sinnlos NATO-Schiffe zur Schleuserbekämpfung durch die Ägäis kreuzen zu lassen, muss die EU endlich für eine europäische Seenotrettung sorgen, damit das Massensterben auf dem Mittelmeer endlich ein Ende hat.

Jeder ertrunkene Flüchtling ist das Opfer unseres Versagens in der Asyl- und Flüchtlingspolitik, jeder von ihnen zahlt mit seinem Leben den Preis für die unmenschliche Abschottungspolitik der EU.