Zum Hauptinhalt springen

Jede zehnte Reinigungskraft muss aufstocken

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Rund eine Million Beschäftigte müssen ihr Erwerbseinkommen mit Hartz IV aufstocken. Berufsübergreifend betrifft das 567.306 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und 352.650 MinijobberInnen, insgesamt 1.022.669 abhängig Beschäftigte (2019: 951.798). Unter den Beschäftigten mit der niedrigsten Qualifikationsstufe „Helfer“ müssen 5 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und 10,6 Prozent der Beschäftigten mit Minijob ergänzend Hartz IV beziehen, unter den Fachkräften sind es 1,6 und 8 Prozent. 

Einzelne Berufsgruppen sind aber weitaus stärker betroffen, wie eine neue Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit zeigt, die Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag, angefordert hatte. Es handelt sich bei den Daten jeweils um Jahresdurchschnittswerte des Jahre 2018.

Unter den Reinigungskräften müssen über 10 Prozent (rund 66.000) der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Helfer ihren Lohn mit Arbeitslosengeld II aufstocken. Dieses Qualifikationsniveau weist mit 656.000 Personen der ganz überwiegende Teil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Berufszweig auf. Doch auch von den rund 176.000 Reinigungsfachkräften müssen 7,8 Prozent (13.700) ergänzend Hartz-IV-Leistungen beziehen. Auf alle sozialversicherungspflichtig beschäftigten Reinigungskräfte gerechnet sind es 9,5 Prozent. Unter den Minijobberinnen und Minijobbern in diesem Beruf müssen 14,3 Prozent der Helfer und 16,1 Prozent der Fachkräfte ergänzend Hartz IV beziehen. 

Hohe Aufstockeranteile unter den sozialversicherungspflichtig beschäftigen Helfern gibt es ferner im Bereich der Speisenzubereitung (knapp 10 Prozent), wo Helfer mehr als die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stellen, aber auch im allgemeinen Verkauf (rund 8 Prozent) sowie im Lebensmittelverkauf (13,5 Prozent), wo indes jeweils der weit größere Teil der Beschäftigten als Fachkraft qualifiziert ist. Doch auch unter den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Verkaufs-Fachkräften sind mit 3,6 beziehungsweise 3,4 Prozent weit mehr Menschen auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen als im berufsübergreifenden Schnitt der Fachkräfte von 1,6 Prozent.

Die extremsten Ausreißer finden sich jeweils bei den Beschäftigten in der Körperpflege. 22,7 Prozent (rund 1.350) der knapp 6.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigen Helfer und sogar 27,7 Prozent der Helfer mit Minijob müssen aufstocken, aber auch immerhin noch 7,9 Prozent (12.700) der 164.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Fachkräfte. Andere Qualifikationsniveaus sind nur in geringem Maß vertreten. Letzteres gilt auch für die Gastronomieberufe. Hier müssen unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sowohl 7,6 Prozent der Helfer als auch 6 Prozent der Fachkräfte mit Hartz IV aufstocken, bei den hier ähnlich stark vertreten MinijobberInnen 8,6 bzw. 8,8 Prozent. Auch unter den Hotellerieberufen bedürfen 7,2 Prozent der Helfer ergänzender Leistungen – dort stellen sie immerhin rund ein Drittel der Beschäftigten. 

Zimmermann erklärt zu diesen neuen Daten: „Es ist nicht hinnehmbar, dass rund eine Million Menschen in Deutschland ihr niedriges Einkommen Lohn mit Hartz IV aufstocken müssen. Das betrifft Menschen in allen Lebensformen, auch Alleinstehende und Paare ohne Kinder. Die Ursache ist also schlicht und einfach zu schlechte Bezahlung. Betroffen sind auch ausgerechnet diejenigen, die eben noch als Helden des Alltags gefeiert wurden. Reinigungskräfte und Beschäftigte im Einzelhandel haben unseren Alltag aufrechterhalten und dafür den Preis eines höheren Ansteckungsrisikos bezahlt. Doch ihre Arbeit ist nicht nur in Pandemiezeiten hart und wenig anerkannt.“

Zimmermann weiter: „Gute tarifliche Bezahlung muss endlich zum Standard werden. Das Arbeitgeberveto bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen muss fallen. Außerdem braucht es einen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde und auch einen Rechtsanspruch auf eine Mindest-Wochenarbeitszeit, verbunden mit strikten Arbeitszeitkontrollen. Denn zu viele Beschäftigte werden unfreiwillig mit Teilzeitverträgen abgespeist, um sie flexibler einsetzen zu können, arbeiten aber faktisch dann doch unbezahlt länger. Der Staat darf solche Modelle nicht durch Sozialleistungen subventionieren, sondern muss unfreiwilliger Teilzeit einen Riegel vorschieben. Deutlich wird auch gerade jetzt in der Pandemie: Minijobs sind nicht existenzsichernd. Sie müssen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt werden.“