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Italienisches Patt bedroht Euroland

Im Wortlaut von Diether Dehm,

Von Diether Dehm, europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag




Nachdem der nicht demokratisch legitimierte Ministerpräsident Mario Monti den Italienern die ersten bitteren Pillen der Spar-Medizin à la Angela Merkel und Troika (Kommission, IWF und EZB) verabreicht hatte, trat er im Dezember vergangenen Jahres zurück. Damit waren die Italiener am Sonntag und Montag aufgerufen, ihr Abgeordnetenhaus und den Senat zu wählen.

Der von der EU-Kommission und wohl auch den meisten Regierungen der europäischen Mitgliedsländer favorisierte Pier Luigi Bersani und sein Mitte-Links-Bündnis konnte sich zwar im Abgeordnetenhaus knapp durchsetzen, doch im Senat hat tatsächlich Silvio Berlusconi und das von ihm geführte Mitte-Rechts-Bündnis die Nase vorn. Da eine stabile Regierung in Italien aber auf die Mehrheit in beiden Kammern angewiesen ist, und auch ein Zusammengehen von Bersani mit dem ordentlich abgestraften Bündnis um Mario Monti die nötige Senatsmehrheit nicht zusammenbrächte, herrscht allgemeine Ratlosigkeit. Ratlosigkeit auch darüber wie und was der eigentliche Gewinner dieser Wahlen – der Komiker und erklärte Anti-Politiker Beppe Grillo und sein Protestbündnis Fünf Sterne, das auf Anhieb 20 Prozent im Abgeordnetenhaus und 25 Prozent im Senat errang, nun zu tun gedenken. Punkten konnte Grillo vor allem mit seinem Anti-Politiker-Image und dem von ihm angekündigten Referendum über den Austritt Italiens aus der Eurozone.

Politische Lähmung oder sogar Neuwahlen?

Das nun vorliegende Ergebnis hinterlässt viel Unsicherheit, bedeutet politische Lähmung und auch Neuwahlen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen. Sollte denn überhaupt eine Regierung zustande kommen, gehen die meisten Kenner der politischen Landschaft Italiens davon aus, dass dieses Bündnis die Legislaturperiode nicht überstünde. Damit würde eine "gute" Tradition fortgesetzt, denn seit 1945 hat erst eine einzige Regierung eine volle Legislaturperiode ohne vorzeitige Parlamentsauflösung in Italien überdauert.

Auf der Suche nach Erklärungen für Berlusconis und Grillos Stimmengewinne, lassen sich zwei wesentliche Gründe ausmachen. Zum einen haben sich die deutsche Kanzlerin, aber auch EU-Kommissionspräsident Barroso und der Präsident der Europäischen Parlaments, Martin Schulz, mit ihrer vorab verkündeten Wahlempfehlung für Bersani angemaßt, den Italienern mehr oder minder unverblümt vorzuschreiben, wen sie wählen sollten. Eine solche Einmischung in die Souveränität und Wahlfreiheit der italienischen Bevölkerung löst verständlicherweise einen gewissen Reflex aus, jetzt erst recht denjenigen zu wählen, gegen den diese "Wahlempfehlung" vor allem gerichtet war – nämlich Silvio Berlusconi.

Der zweite Grund sind das wachsende Unbehagen und eine große Wut auf diese EU und die von ihren Institutionen aufoktroyierte Sparpolitik. Denn auch die Italiener spüren, dass die Probleme des Landes ausschließlich auf Kosten der kleinen Leute gelöst werden. So werden die Staatsausgaben bis 2014 um 24 Milliarden Euro gekürzt. Ab 2013 wird die Mehrwertsteuer von 21 auf 23 Prozent erhöht. Zudem ging Monti an die Renten ran: Männer können nun frühestens nach 42 Berufsjahren und mit 66 Jahren in Rente gehen, Frauen nach 41 Berufsjahren mit 63 Jahren.

Reformkurs ist keine wirkliche Alternative für die Menschen

Bersani, der vorab erklärt hatte, dass er den vom Technokraten Monti eingeschlagenen "Reformkurs" fortzusetzen gedenke, stellte damit für die Menschen keine wirkliche Alternative zu der eingeschlagenen Politik dar. Dabei hat Italien durchaus große Probleme – die Schuldenquote des Staatshaushalts beläuft sich auf fast 130 Prozent und die Refinanzierungsbedingungen an den Finanzmärkten sind durch dieses Wahlergebnis nochmal erheblich erschwert worden. Sollte das Land aber nicht mehr im Stande sein, sich über die Ausgabe von Staatsanleihen selbst zu finanzieren und unter den Bankenrettungsschirm ESM schlüpfen müssen, dürfte die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone die köchelnde Krise nicht nur wieder erheblich verschärfen, sondern bedeutete höchstwahrscheinlich das Ende der Währungsgemeinschaft und das Aus für die Eurozone.

linksfraktion.de, 26. Februar 2013