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Interventionspartnerschaft

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

 

Von Sevim Dagdelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Der Zeitpunkt ist günstig für eine weitere Militarisierung der Europäischen Union: Der Streit um die Ukraine ist noch nicht entschieden, die Rüstungskonzerne machen Druck, und die Europäische Union hat seit wenigen Tagen eine neue Außenbeauftragte. Klar, dass sich die Interparlamentarische Konferenz für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP/GSVP) die Chance nicht entgehen lassen will. Seit Mittwoch tagte die Versammlung in Rom, Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller EU-Staaten waren vor Ort.

Am Freitag verabschiedete die Runde ihre Abschlusserklärung: Solidarität mit der Ukraine, Verurteilung Russlands. Kern aber ist das Plädoyer für eine engere Zusammenarbeit von NATO und EU. Das Papier spricht dabei von einer »ergänzenden und gegenseitig verstärkenden Rolle«. So wolle man den »Herausforderungen der neuen Sicherheitsbedrohungen mit einem Maximum an Effizienz« begegnen. Diese Zielstellung ist brisant, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Rühe-Kommission den Parlamentsvorbehalt für Bundeswehreinheiten in EU- und NATO-Verbänden schleifen soll. Folgerichtig geht es um eine Stärkung der sogenannten EU-Battle-Groups. Diese Kampfgruppen werden als »der am besten entwickelte Mechanismus bei der Verteidigungszusammenarbeit auf EU-Ebene« bezeichnet. Die Interparlamentarische Konferenz will einen Ausbau der militärischen Möglichkeiten, um schneller intervenieren zu können.

Diese Vorhaben passen gut zur neuen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Die frühere italienische Außenministerin ist seit dem 1. November die »Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik« der EU und damit Nachfolgerin der britischen Labour-Politikerin Catherine Ashton. Mogherini steht keineswegs für eine neue Ausrichtung der Außenpolitik, sondern für eine Durchsetzung alter Vorhaben. Ein Beispiel ist die »Ständige Strukturierte Zusammenarbeit« (SSZ) der EU, die auf eine verstärkte Integration der EU-Armeen setzt. In diesem Bereich herrscht bisher Uneinigkeit über viele Details, die Mogherini nun überwinden will. Bei den 15 laufenden polizeilichen (»zivilen«) und militärischen EU-Missionen in Afrika, Asien und Europa will sie zudem eine bessere Koordinierung erreichen. Außerdem sollen die Einzelmissionen in die Regionalstrategien der EU mit eingebunden werden. Ziel ist eine Machtpolitik aus einem Guss.

Anders sieht es bei der vor über zehn Jahren vom Rat der EU – also der Exekutive dieses Staatenbundes – verabschiedeten »Europäischen Sicherheitsstrategie« (ESS) aus. Diese soll noch einmal angepasst werden. Die ESS sieht als wichtigste Bedrohungen der EU den Terrorismus, die Verbreitung von ABC-Waffen, regionale Konflikte in der Nähe der Union, die organisierte Kriminalität und vermeintliche »gescheiterte Staaten«. Im Sinne der Strategie sind bereits verschiedene Einsätze der EU in der Nachbarschaft, beispielsweise »EUBAM Libya«, genehmigt worden, um so einen Cordon sanitaire um den Staatenverbund zu schaffen.

Weitere Punkte der GASP/GSVP sind die laufenden Bemühungen der EU-Kommission um eine »Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie«, die bereits im vergangenen Sommer beschlossen wurden. Die deutsche Bundesregierung will dabei eine Art »Militär-TÜV« durchsetzen, damit alle EU-Staaten Rüstungsgüter nach einheitlichen Standards an- und verkaufen.

Auch beim »Pooling & Sharing« läuft noch nicht alles so, wie es sich Berlin wünscht. Im Rahmen dieses Ansatzes sollen sich die Streitkräfte der EU-Staaten militärische Fähigkeiten teilen. Allerdings sind bisher die davon betroffenen kleinen und mittleren Mitgliedsländer nicht bereit, militärische Kompetenzen abzugeben. Von dieser Militarisierung der Union profitieren vor allem die großen drei Mitgliedsstaaten, die sich für kommende Interventionen spezialisieren. Die Bundesrepublik hat dabei unter anderem die Führungsrolle bei der »Verbesserung der Fähigkeiten bei der Luftbetankung«. Die EU-Luftwaffen hatten Ende März und Anfang April dieses Jahres zum ersten Mal eine entsprechende Übung durchgeführt. Denn nur mit einer eigenen Luftbetankungsflotte lassen sich auch weit entfernte Einsatz- und Lufträume wie Afghanistan und Mali schnell erreichen und gegebenenfalls bombardieren.

junge Welt, 7. November 2014