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Inter: Eine Welt der zwei Geschlechter

Periodika,

Eine Leseempfehlung

 

 

Dem Undenkbaren eine Stimme geben. Das versucht dieses schmale Büchlein. Es lässt Menschen zu Wort kommen, die es eigentlich nicht gibt. Menschen, die von ihren körperlichen Merkmalen nicht in das Raster „männlich oder weiblich“ passen. Intersexuelle Menschen leben in allen Teilen dieser Erde, und gleichgültig in welchem Land sie leben, fast immer ecken sie allein durch ihre Existenz in der jeweiligen Kultur und Gesellschaft an.Sally Gross, südafrikanische Inter*-Aktivist_in berichtet: „Vor 18 Jahren, als ich um die 40 war, fand ich heraus, dass ich intergeschlechtlich bin, und traf die bewusste Entscheidung, offen und ehrlich damit umzugehen. Dies hatte zur Folge, dass ich geächtet wurde, mir mein Status und selbst meine Identität abgesprochen wurden und ich mit Berufsverbot belegt wurde.“ Doch sie kämpfte. Fand eine ANC-Abgeordnete und Juristin, die sie unterstützte, und so wurde im Jahr 2005 das „Gesetz zur Förderung der Gleichstellung und Bekämpfung unlauterer Diskriminierung“ um das Merkmal Intersex erweitert. Damit wurden intersexuelle Menschen in Südafrika erstmals rechtlich anerkannt und vor Diskriminierung geschützt.

Hiker Chiu lebt in Taiwan und berichtet: „Tatsächlich habe ich nicht wirklich ver- standen, was mit meinem Körper los war. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es etwas war, worüber man nicht sprechen konnte und auch nicht wollte.“ Sie entwickelte einen selbstbewussten Umgang mit sich, ihrem Körper und ihrer Umwelt, denn allein der Besuch einer öffentlichen Toilette oder die Benutzung des Schlafsaals (geschlechtergetrennt) zog Konflikte nach sich. „Das lehrt mich, dass es immer das Beste ist, gleich als Erstes in einer neuen Umgebung mein Geschlecht klarzustellen.“ Sie outete sich als Intersex, machte auf sich beim Gay Pride in Taipeh aufmerksam und schaffte Öffentlichkeit.

Die im Buch erzählten Geschichten sind alle emphatisch. Das ist gewollt, denn es soll Mut machen. Abgerundet wird „Inter“ durch die fundierte Einschätzung von Ulrike Klöppel. Sie ist Psychologin, arbeitet am Institut für Medizingeschichte der Charité Berlin und gehört dem wissenschaftlichen Beirat der Internationalen Vereinigung intergeschlechtlicher Menschen an. Der Erzählband leistet einen wichtigen Beitrag zur überfälligen gesetzgeberischen Debatte. Das deutsche Recht nämlich wahrt die Menschenrechte von Intersexuellen nicht. Unter Leitung des Bundesfamilienministeriums hat sich immerhin endlich eine interministerielle Arbeitsgruppe zum Thema gebildet. Die PDS machte bereits Mitte der 1990er Jahre auf die Problematik aufmerksam, DIE LINKE wird gewährleisten, dass den Debatten auch Taten folgen.

 

Inter. Erfahrungen intergeschlechtlicher Menschen in der Welt der zwei Geschlechter Herausgeber: Elisa Barth, Ben Böttger, Dan Christian Ghattas, Ina Schneider

NoNo-Verlag, 124 Seiten / 22 farbige Abbildungen, 14,90 €