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»In der CSU ist es ähnlich wie bei der Papstwahl«

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

Palastrevolution bei den Christsozialen: Keine politische Wende durch Stoibers Abgang in Sicht. Ein Gespräch mit Klaus Ernst

Klaus Ernst ist geschäftsführendes Mitglied des Bundesvorstandes der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), Bundestagsabgeordneter der Fraktion die Linke und IG-Metall-Bevollmächtigter in Schweinfurt

Beim mächtigsten politischen Gegner der bayerischen Linken hat es gerade eine Palastrevolution gegeben, bei der es nicht vordergründig um Inhalte ging. Wie ist Ihr Kommentar zum Geschehen?

Das zeigt sehr deutlich, in welchem inneren Zustand sich diese Partei befindet. Eine kleine Führungsclique hat die CSU unbehelligt nach ihrem Gutdünken regiert. Dieser Vorgang ist nun eben öffentlich geworden, weil eine Landrätin - höchstwahrscheinlich mit Rückendeckung von anderen - dagegen opponiert hat. Außerdem wurde deutlich, wie verwerflich die Methoden sind, mit denen parteiintern agiert wird. Leute werden bespitzelt, das Privatleben anderer wird an die Öffentlichkeit gezerrt -das ist ein Zustand, über den man sich nur noch die Augen reiben kann.

Besagte Landrätin Gabriele Pauli hat für kurze Zeit den Verdacht nahegelegt, die CSU könnte sich modernisieren - und dadurch bald noch fester im Sattel sitzen. Gibt Günther Beckstein als designierter Ministerpräsident Anlaß zur Erleichterung?

Ach wissen Sie, in der CSU ist es ähnlich wie bei der Papstwahl: Der Papst ernennt die Kardinäle. Die Ernannten wählen dann den neuen Papst. Ein sicheres System, damit sich nichts ändert. Und weil alle, die in der CSU entscheidende Funktionen haben, entweder von Stoibers Gnaden oder noch von Gnaden seiner Vorgänger im Amt sind, glaube ich nicht, daß diese Affäre eine grundlegende Erneuerung der CSU zur Folge haben wird. Ich könnte mir aber zumindest in Nuancen eine Veränderung der Sozialpolitik vorstellen, wenn Seehofer das Amt des Parteivorsitzenden übernehmen würde. Da gibt es schon feine Unterschiede, die man zur Kenntnis nehmen muß.

Was kommt Ihrer Meinung nach mit Beckstein auf die bayerische Linke zu?

Beckstein ist weniger selbstherrlich als Stoiber, vertritt aber dieselben politischen Positionen. Ich denke nicht, daß es da eine entscheidende Veränderung in der politischen Linie geben wird.

Eva Bulling-Schröter von der Linkspartei und Fritz Schmalzbauer von der WASG sehen in der Krise der CSU eine Chance für das demokratisch gesinnte Bayern. Sie nicht?

Diese Einschätzung teile ich insofern, daß jetzt viele Leute in Bayern erkennen können, in welchem Zustand die Staatspartei CSU wirklich ist, die hier seit Jahrzehnten unbehelligt regiert. Das ist eine Partei der Skandale - von der »Amigo-Affäre« bis hin zu einer Ministerin, die als Tochter des verstorbenen Franz-Josef Strauß an ihr Amt gekommen war und dann ebenfalls soviel Dreck am Stecken hatte, daß sie zurücktreten mußte. Die Leute bemerken langsam den Zustand dieser Amigo-Partei - und ich kann mir gut vorstellen, daß sich jetzt einige umsehen werden, was das politische Spektrum sonst noch zu bieten hat. Das Problem ist nur, daß es bisher eine inhaltsleere Personaldebatte war. Das wirkt einer Politisierung mit anderen Inhalten eher entgegen.

Bietet nicht gerade diese inhaltsleere Machtpolitik den bisherigen CSU-Wählern eine Chance auf Erkenntnis?

Ja, durchaus. Aber diese Partei steht natürlich auch für Inhalte, die von großen Teilen der Bevölkerung mitgetragen werden. Was aber aus meiner Sicht tatsächlich stattfinden wird, ist eine öffentliche Auseinandersetzung über den inneren Zustand der CSU und darüber, wie ernst sie ihre eigene Basis nimmt. Aber es gibt ja kaum einen in dieser Partei, der die Regierungspolitik Stoibers in Frage stellt. Es geht nur um die innerparteiliche Demokratie und um Machtkämpfe. Natürlich bietet uns das Chancen, aber das bedeutet noch lange nicht, daß CSU-Wähler sich inhaltlich umorientieren. Am ehesten profitieren wohl die »Freien Wähler« von dieser Affäre - und die sind inhaltlich keine Alternative zur CSU.

Die CSU hat sich in letzter Zeit in einzelnen Punkten sozialer gegeben als ihre Schwesterpartei CDU. Wird das Ihrer Meinung nach Bestand haben?

Das hängt im wesentlichen davon ab, wer den Parteivorsitz übernimmt. Seehofer steht für den sozialeren Teil der CSU - man darf aber nicht verkennen, daß in dieser Partei eine gewisse Stammtischdumpfheit herrscht, die sich auch in der politischen Linie manifestiert. Aber wenn tatsächlich Seehofer Parteivorsitzender werden würde, dann sehe ich eine Chance für einen etwas sozialeren Touch der CSU. Wie gesagt: in Nuancen, eine politische Wende in der CSU wird es nicht geben.

Interview: Claudia Wangerin

junge Welt, 22. Januar 2007