Zum Hauptinhalt springen

Impfstoff, Forschung, Immunität - Für wen und ab wann?

Kolumne von Petra Sitte,

In der Corona-Krise wird oft darauf bestanden, dass jetzt die Stunde der Wissenschaft oder die der Politik sei. Tatsächlich ist beides richtig. Die politischen Entscheidungen müssen sich am Erkenntnisstand der Wissenschaft orientieren, aber verantwortet und umgesetzt werden sie von Parlamenten und Regierungen. Das Gleiche gilt auch für mögliche medizinische Gegenmittel. Ihre Entwicklung und ihr Einsatz werden ebenso wissenschaftlich wie politisch bestimmt. Der Covid-19-Virus ist neuartig und noch weitgehend unbekannt. Wir wissen nicht, wen er am stärksten befällt, welche Organe er in welcher Weise angreift, oder ob eine überstandene Infektion zu einer Immunität führt. Weltweit läuft derzeit die Forschung an Dutzenden verschiedenen Impfstoffen und Gegenmitteln, die auf unterschiedliche Art und Weise den Virus angreifen oder das Immunsystem in seiner Abwehr mobilisieren und stärken sollen. Klar ist aber, dass ein wirksames und sicheres Medikament eingehend getestet werden muss. Ein Mittel, das kurzfristig hilft, aber langfristig mit schlimmen Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen einhergeht, wäre schlimmer als das eigentliche Problem, das es bekämpfen soll. Es braucht also Zeit für ein massenhaft einsetzbares Medikament.

Die zweite Frage ist, wer wird davon profitieren? Wer wird Zugang dazu haben? Das sind hochpolitische Fragen. Es ist gut, dass Anfang Mai in Brüssel eine internationale Konferenz stattfand, um Gelder für die Corona-Forschung zu sammeln und die Forschungsbemühungen zu koordinieren. EU-Kommissionspräsidentin, Frau von der Leyen, erklärte Brüssel zum »Epizentrum der Solidarität«. An diesen Worten wird das weitere Vorgehen der Regierungen zu messen sein. Das öffentliche Geld muss garantieren, dass allen Menschen, die, die es wollen und die es brauchen, Impfstoffe und medizinische Behandlung ermöglicht werden. Erfolgversprechende Medikamente und ihre Patente müssen als Gemeingut verfügbar sein. Die Pandemie darf nicht zur Goldgrube für Pharmakonzerne und Hersteller von Gesichtsmasken oder Test-Kits werden. Covid-19 scheint bestimmte Risikogruppen besonders zu betreffen, aber es gefährdet potentiell uns alle, und noch wissen wir nicht einmal genau, wie oder wie sehr. Darum muss es möglich werden, dass alle an den Forschungsfortschritten teilhaben können. Wenn dies gelingt, könnte diese weltweite Pandemie zu weltweiter Zusammenarbeit und Solidarität führen. Schließlich sitzen wir alle in einem Boot, und ein Ausbruch an jedem Punkt der Erde kann binnen kürzester Zeit zur Bedrohung für jedermann werden. Wenn dagegen ein weltweiter Schulterschluss gelingt, hätte die Covid-19-Krise wenigstens ein erfreuliches Ergebnis.  

Petra Sitte ist Sprecherin Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag