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Imperialistische Gier

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Der deutschen Regierung ist es offensichtlich nicht möglich, über Afrika nachzudenken, ohne der Gier nach Ressourcen zu verfallen. So findet sich in dem Mitte Mai vorgestellten Afrikakonzept eine Karte der wichtigsten Rohstoffvorkommen und die explizite Feststellung: »In Afrika liegt der Schwerpunkt der deutschen Politik auf Maßnahmen, die die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln verbessern.« Unternehmerisches »Engagement« sowie die »Einbindung des Kontinents in die globale Wirtschaft« werden als universales Heilsversprechen für den Kontinent angepriesen und zum Hauptziel einer vermeintlich an »Werten« orientierten deutschen Afrikapolitik erklärt. Insofern ist es nur konsequent, wenn die Außenwirtschaftsförderung mit der Entwicklungspolitik in eins gesetzt wird und künftig deutsche »Entwicklungsscouts« in den Wirtschaftsverbänden den Zugriff deutscher Unternehmen auf afrikanische Reichtümer verbessern sollen.

Zu den Ursachen der zahlreichen gewaltsamen Auseinandersetzungen auf dem afrikanischen Kontinent findet sich nur ein Satz in dem Regierungsdokument: »Die Verletzung von Menschenrechten ist eine wesentliche Ursache von Konflikten«. Es ist eine wirklich beschränkte analytische Leistung für eine außenpolitische Strategie, Konflikte quasi durch deren Definition zu erklären.

Eindimensional fallen deshalb auch die Ideen zur Lösung aus. So wird eine weitere Aufrüstung auf dem Kontinent angestrebt, was als Förderung »afrikanischer Lösungsansätze« bezeichnet wird. Dazu kommt die Bereitschaft Deutschlands, sich »im Rahmen des Völkerrechts auch unmittelbar zu engagieren«. Kein einziges kritisches Wort wird darüber verloren, wozu die im Dokument genannte »Akkreditierung von Verteidigungsattachés« oder »die Entsendung von Militärberaterinnen und -beratern« in der Vergangenheit geführt hat: zur Ausbildung von Putschisten wie dem guineischen Hauptmann Dadis Camara, zum Aufbau von Polizeieinheiten, die zur Niederschlagung von Protesten eingesetzt werden, zur Verlängerung des Bürgerkrieges in Somalia und sogar zur deutschen Finanzierung der Ausbildung somalischer Kindersoldaten durch Äthiopien. Vermutlich werden auch solche Maßnahmen von der Bundesregierung als »Beitrag zur Entwicklung demokratisch orientierter Streitkräfte in Afrika« verstanden.

Das neue Konzept des Kabinetts ist geprägt von der imperialistischen Gier nach Rohstoffen und einer völligen Ignoranz gegenüber den Folgen dieser Gier. Der kolonialistische Geist, der dem Papier zugrunde liegt, wird deutlich, wenn die »gemeinsame Geschichte« definiert wird als Kontinuität »von der Kolonialzeit Deutschlands bis zur Unterstützung, die Deutschland den Ländern Afrikas seit ihrer Unabhängigkeit hat zukommen lassen«.

Durch die angstrebte »gleichberechtigte Partnerschaft« zwischen der BRD und Afrika wird ein einzelnes westeuropäisches Land zum »Partner auf Augenhöhe« eines ganzen Kontinents. Wie es diese »gleichberechtigte Partnerschaft« verkraften würde, wenn die Afrikanische Union in ihrer Europastrategie eine Karte des Kontinents mit möglichen Abbaugebieten für die Uran- und Phosphorgewinnung veröffentlichen würde, werden wir leider nie erfahren.

 

Von Sevim Dağdelen

junge Welt, 30. Juni 2011