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Immer öfter befristet

Nachricht von Jutta Krellmann,

 

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Krellmann/LINKE: „Aktuelle Daten zu befristeter Beschäftigung“ (Bundestagsdrucksache 18/5637)

 

Die Anzahl befristeter Arbeitsverträge steigt weiterhin an. Bei Neueinstellungen ist fast die Hälfte der Verträge nur befristet. Frauen sind stärker betroffen als Männer. Branchen mit einem hohen Anteil an Befristungen weisen ebenfalls nur geringe Übernahmequoten auf. Dies ist vorrangig der Dienstleistungssektor- hier vor allem soziale Dienstleistungen. Spitzenreiter bei befristeten Neueinstellungen ist der Staat.

"Befristete Arbeitsverträge werden immer mehr zur Regel – gerade auch in Bereichen, die keiner Konjunktur unterliegen, sondern Regelaufgaben sind", stellt Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, fest. "Dies betrifft vor allem den Staat selbst und den sozialen Dienstleistungssektor, der vielfach mit öffentlichem Geld arbeitet. Der Spardruck der öffentlichen Hand entpuppt sich hier als Motor für unsichere Arbeitsplätze. Das Normalarbeitsverhältnis muss wieder zur Regel werden. Befristungen ohne sachlichen Grund gehören verboten und die anerkannten Gründe für Befristungen müssen drastisch reduziert werden."

 

Die Ergebnisse im Einzelnen:

 

  • Die Anzahl befristeter Arbeitsverträge in Deutschland hat im Jahr 2014 leicht zugenommen. Sie stieg um 44.000 auf 2.783.000. (siehe Tabelle 1.1) 1

 

  • Der Anteil befristeter Beschäftigung an abhängiger Beschäftigung (Kernerwerbstätige) beträgt 8 %. (Daten des Mikrozensus 2013) (siehe Tabellen 11.1; 11.2 und 11.3)

 

  • Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind deutlich häufiger von Befristungen betroffen. Bei Personen aus den 28 EU Mitgliedsstaaten und aus anderen Ländern liegt die Befristungsquote fast doppelt so hoch. (13,4 % bzw. 13,9 % im Vergleich zu 7,4 % bei Deutschen) (siehe Tabelle 11.1.)

 

  • Ein Drittel aller befristet Beschäftigter erhielt 2010 einen Niedriglohn. Besonders betroffen sind Junge und Ältere. Von den unter 25 jährigen erhielten 48,3 % einen Niedriglohn. In der Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen waren es 46,4 %. 
    Hilfsarbeitskräfte (70,7 %) und Dienstleistungsberufe (58,3 %) haben den weitaus größten Niedriglohnanteil. In den Handwerksberufen ist der Anteil dreifach so hoch (31,3 %) und bei den Bürokräften sogar vierfach so hoch (39,4 %) wie bei vergleichbaren Normalarbeitnehmern.

 

  • Frauen sind mit 8,9 % befristeten Arbeitsverträgen deutlich stärker betroffen als Männer mit 6,2 %. (Die Differenz zwischen Frauen und Männern ist am stärksten in Bremen (4,9 %), Hamburg, (4,5 %), Sachsen (3,4 %), Bayern (3,0 %) und Hessen (3,0%); am schwächsten im Saarland (0 %), in Thüringen  und Mecklenburg-Vorpommern.) 
    In einem Drittel der Bundesländer hat jede zehnte Frau einen befristeten Vertrag (Bremen 12,1 %; Hamburg 11,9 %; Berlin 11,0 %; Brandenburg 10,8 %; Mecklenburg-Vorpommern 10,1 %; Nordrhein-Westfalen 9,8 %) (siehe Tabelle 1.1).

 

  • 45 % aller Neueinstellungen im ersten Halbjahr 2014 waren befristet. Dies sind 3 % mehr als im Vorjahr und nur 2 % weniger als im Krisenjahr 2009. (siehe Tabelle 2.1)

 

  • Pro Bundesland sind Anteile an Befristungen bei Neueinstellungen am höchsten in Nordrhein-Westfalen (50 %), Niedersachsen (49 %) und Hamburg (48 %); am niedrigsten in Sachsen (35 %), Bayern (38 %) und Sachsen-Anhalt (41 %) (siehe Tabelle 2.3)

 

  • Je größer das Unternehmen, desto höher ist der Anteil an befristeten Neueinstellungen. Unternehmen mit 51 – 250 Beschäftigten liegen bereits deutlich über dem Gesamtdurchschnitt von 45% und stellen mehr als die Hälfte ihrer neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befristet ein (52%). Bei den mittleren und großen Unternehmen wird der Anteil noch weitaus höher. Betriebe mit 251 – 1000 Beschäftigten befristen 66 % ihrer Neueinstellungen. Betriebe mit mehr als 1000 Beschäftigten haben einen Anteil von 70 % bei den Neueinstellungen. (siehe Tabelle 2.2)

 

  • Im ersten Halbjahr 2014 gab es bei befristeten Beschäftigten 37 % Übernahmen, 35 % Verlängerungen und 28 % Abgänge (siehe Tabellen 3.1; 4.1; 5.1)

 

  • Branchen mit hohem Anteil an Befristungen weisen nur geringe Übernahmequoten aus. Die Branche „Erziehung und Unterricht“ hat mit 16,1 % den höchsten Anteil befristeter Beschäftigter. Zugleich ist ihre Übernahmequote von 21,2 % die zweitniedrigste. 
    Die wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, freiberuflichen Dienstleistungen (Kanzleien, Ingenieursbüro, Wirtschaftsberatungen) haben einen Befristungsanteil von 11 %. Sie übernehmen aber weniger als ein Drittel der Beschäftigten (30,3 %).
    Demgegenüber werden im Baugewerbe 2,3 % der Beschäftigten befristet und 73,9 % übernommen. Bei den Verbrauchgütern werden 3,6 % befristet und 64,8 % übernommen. (siehe Tabellen 10.1 und 10.2)

 

  • Besonders zu beachten ist auch der Bereich der Öffentlichen Verwaltung, der eine der niedrigsten Übernahmequoten (28,6) hat, obwohl er keinen konjunkturellen Schwankungen unterliegt. Der Anteil befristeter Beschäftigte ist unterdurchschnittlich. (Siehe Tabellen 10.1 und 10.2). Ergänzung: Bei Neuverträgen hat die öffentliche Verwaltung mit 60% jedoch eine der höchsten Befristungsquoten, die einer niedrigen Übernahmequote gegenübersteht. 2

 

  • Bundesweit werden bei Neueinstellung 49 % der Frauen und 41 % der Männer befristet.. In der Mehrheit der Bundesländer werden über 50% der Frauen bei Neueinstellungen nur befristet. Bei männlichen Beschäftigten gibt es nur zwei Bundesländern in denen mindestens die Hälfte befristet neu eingestellt wird (Saarland 53%; Mecklenburg-Vorpommern 50%). I  Bremen und Hessen sind die Neubefristungen zwischen Männern und Frauen fast gleich. In der Hälfte der Bundesländer ist Differenz zwischen Männern und Frauen sehr hoch: Sachsen und Sachsen-Anhalt haben zwar mit den niedrigsten Anteil an befristeten Neueinstellungen insgesamt, gleichzeitig ist die Differenz der Befristungsquoten von Frauen und Männern aber gravierend. In Sachsen liegt sie bei 16%, in Sachsen-Anhalt bei 19%. Ebenfalls extrem fällt der Unterschied aus in Schleswig-Holstein (17 %), Hamburg (17 %), Thüringen (17 %) und Rheinland-Pfalz (15 %). (siehe Tabelle 2.3)

 


1 Die prozentualen Angaben zum Anteil von Befristungen an der Gesamtbeschäftigung sind wenig aussagekräftig. Der Anteil von Befristungen an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung liegt in den letzten Jahren ca 2 % höher. Die betriebliche Gesamtbeschäftigung umfasst neben sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitern, Angestellten und Auszubildenden auch nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (Beamte/ Beamtenanwärter, tätige Inhaber/innen und mithelfende Familienangehörige) sowie geringfügige und sonstige Beschäftigte. Auszubildende werden allerdings bei befristeten Verträgen vom IAB nicht erfasst.

2 Quelle: IAB (2013): Befristete Beschäftigung – Aktuelle Zahlen aus dem IAB-Betriebspanel 2012, Seite 5 (http://doku.iab.de/aktuell/2013/Befristung_2012.pdf)


linksfraktion.de, 27. August 2015