Zum Hauptinhalt springen

Immer mehr unregelmäßige Arbeitszeit

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage: Flexibilisierung der Arbeitszeit, atypische Arbeitszeiten und Anforderungen an die Politik



Immer mehr atypische/flexible Arbeitszeiten

  • Zahl der Erwerbstätigen,
    • die ständig, regelmäßig oder gelegentlich am Samstag arbeiten ist von 13,8 Mio. 1991 auf 18,2 Mio. 2010 gestiegen oder von 36,7% auf 46,9%
    • die ständig, regelmäßig oder gelegentlich am Sonn- oder Feiertag arbeiten ist von 7,5 Mio. 1991 auf 11,0 Mio. 2010 gestiegen oder von 20,1% auf 28,3%
    • die ständig, regelmäßig oder gelegentlich am Abends oder Nachts arbeiten ist von 13,3 Mio. 2001 auf 17,9 Mio. 2010 gestiegen oder von 36,2% auf 46,0% (Antwort Frage 1+2 , Tabelle 1 und 2)
    • die überlange Arbeitszeiten (42 Stunden und mehr) leisten hat zugenommen von 5,0 Mio. 2001 auf 6,4 Mio. 2010 oder von 13% auf 16% (Antwort Frage 37, Tabelle 19)
  • und interessant: es gibt einen engen Zusammenhang zwischen flexiblen Arbeitszeiten und Überstunden, 42% aller Beschäftigten mit völlig flexiblem Arbeitszeiten arbeiten 49 Stunden und länger in der Woche!!!!  (Antwort auf Frage 39)


Aber weniger Überprüfungen der Arbeitsplätze/Betriebe durch die Gewerbeaufsichtsämter

  • rückgehende Besichtigungstätigkeit der Gewerbeaufsicht
    • Zahl der Betriebe von 214.370 im Jahr 2001 auf 121.990 im Jahr 2010
    • Gesamtzahl der Besichtigungen in 2001: 507.224 auf 300.253 in 2010 (Antwort Frage 32, Tabelle 16)
  • dementsprechend zurückgehende Beanstandungen beim sozialen Arbeitsschutz von 137.720 in 2001 auf 75.952 in 2010 (Tabelle 17)
  • ABER: trotz zurückgehender Besichtigung gleichbleibende oder zunehmender Zahl von Bußgeldbescheiden (1832 in 2001 auf 1649 in 2010) und Strafanzeigen (von 87 in 2001 auf 265 in 2010) (Tabelle 18)


Nichthandeln der Bundesregierung

  • Bundesregierung räumt ein,
    • dass Nacharbeit ein „Risikofaktor“ ist (Frage 16),
    • dass variable Arbeitszeiten „das Risiko gesundheitlicher, familiärer und soziale Beeinträchtigungen erhöhen“ (Antwort Frage 20)
    • dass „das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen bei langen Arbeitszeiten zunimmt“ (Antwort Frage 38)
  • sie sieht es aber nicht als „zweckdienlich, den gesetzlichen Rahmen für die Gestaltung der Arbeitszeit über das bisherige Maß hinaus beschränken“ (Antwort Frage 26)
    • „plant keine Änderungen des rechtlichen Rahmens für die Gestaltung der Arbeitszeit“ (Antwort Frage 30)
    • sieht „keinen Anlass, die im Arbeitszeitgesetz enthaltenden Ausnahmeregelungen vom grundsätzlichen Verbot der Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen zu ändern“ (Antwort Frage 33)

Weitere interessante Infos:

  • drei Viertel der Arbeitnehmer/innen halten den Schutz der Gesundheit bei der Gestaltung ihres Arbeitsplatzes als äußert bzw. sehr wichtig (Antwort Frage 23)
  • nach einer Arbeitskräfteerhebung des Statistischen Bundesamtes hatten im Jahr 2010 nur 36,3 % der abhängig Beschäftigten Einfluss auf ihre Arbeitszeitgestaltung (Antwort Frage 6)

 

Fazit von Sabine Zimmermann:

„Der drastische Anstieg atypischer Arbeitszeiten ist Besorgnis erregend und ein deutliches Warnsignal. Die moderne Arbeitswelt entwickelt sich in die falsche Richtung, auf Kosten der Beschäftigten, deren Arbeitszeiten immer länger und flexibler werden. Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen für ihren Job ihre Gesundheit opfern. Auch ihre Familien leiden unter den überlangen und hochflexiblen Arbeitszeiten, Freunde kommen oft zu kurz. Es gibt einen klaren Handlungsauftrag an die Politik, für mehr gute Arbeit zu sorgen.

Nicht zu akzeptieren ist daher die Verweigerungshaltung der Bundesregierung. Sie räumt ein, dass atypische Arbeitszeiten die Gesundheit und sozialen Beziehungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schädigen und immer mehr Beschäftigte davon betroffen sind. Sie weigert sich aber, dieser Entwicklung gesetzlich Einhalt zu gebieten.

Dabei ließen sich grobe Fehlentwicklungen durch relativ einfache Maßnahmen beheben.

In einem ersten Schritt könnte die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden in der Woche gesenkt werden. Das würde helfen, überlange Arbeitszeiten einzudämmen.

Desweiteren müsste im Arbeitszeitgesetz der Wildwuchs bei den zahlreichen Ausnahmeregelungen beschnitten werden. Diese höhlen die bestehenden Begrenzungen des Arbeitstages und das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit aus.

Drittens sind unbedingt die Kontrollen zu verbessern. Es darf nicht sein, dass durch die Gewerbeaufsicht kaum noch Arbeitsplatzbegehungen stattfinden, um die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu kontrollieren. Hinzu kommt, dass dann auch die durch das Arbeitsschutzgesetz für den Arbeitgeber vorgeschriebenen Gefährdungsanalysen am Arbeitsplatz nicht überwacht werden. In § 5 des Arbeitsschutzgesetzes ist die Arbeitszeit als möglicher Gefährdungsfaktor explizit benannt. Die Verantwortung für die Gewerbeaufsicht liegt zwar bei den Ländern, aber die Bundesregierung kann hier gemeinsame Anstrengungen anregen.

DIE LINKE unterstützt zudem die Initiative der IG Metall für eine Anti-Stress-Verordnung. Wichtig ist auch die Eindämmung prekärer Beschäftigung wie Leiharbeit, bei der die Beschäftigten immer schnell verfügbar und flexibel sein müssen und wenig Möglichkeiten haben, sich dagegen zu wehren.“