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Immer mehr Menschen sind auf Zweitjobs angewiesen

Nachricht von Jutta Krellmann,

 

Jutta Krellmann und die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag haben die Bundesregierung nach der Entwicklung von Minijobs in Deutschland seit 2005 gefragt. Die Antwort der Bundesregierung liegt nun vor und konnte ausgewertet werden. Neben der allgemeinen Zunahme von Minijobs erschreckt die steigende Zahl derjenigen, die den Minijob zusätzlich zu ihrem Hauptberuf ausüben, um ihre Existenz zu sichern, ebenso wie die hohe Zahl junger Beschäftigter, die ausschließlich in Minijobs arbeiten.

Zusammenfassung:

2015 war jede/r fünfte abhängig Beschäftigte ein Minijobbender: 20,5 Prozent betrug der Anteil der geringfügig entlohnt Beschäftigten an bundesweit allen Beschäftigten. Die Anzahl der Minijobbenden insgesamt ist in den letzten zehn Jahren um 11,7 Prozent gestiegen. Die Anzahl der Minijobbenden, die diesen zusätzlich zu ihrem Hauptberuf ausüben, ist um 52 Prozent gestiegen. Somit verfügt mittlerweile noch jede/r dritte Minijobbende über einen Hauptberuf, 2006 war es noch jede/r Vierte.

 

Im Juni 2015 war nahezu jede/r vierte junge Beschäftigte unter 25 Jahren ausschließlich geringfügig beschäftigt (23,7 Prozent). Der Einzelhandel beschäftigte 2015 die meisten Minijobber, damit ist jede/r dritte Beschäftigte im Handel ein Minijobber (2014: noch jede/r Fünfte)[1]. Dem folgen die Gastronomie,  die Gebäudebetreuung und das Gesundheitswesen. Der Anteil befristeter Minijobbender an allen Minijobbenden war 2014 im Vergleich zur Gesamtwirtschaft höher: 14,4 statt 9,0 Prozent.

 

Minijobs führen zu Armut im Erwerbsleben und im Alter: Der Anteil der Minijobbenden, die auf den Bruttolohn bezogen unterhalb der Niedriglohnschwelle entlohnt werden, lag 2010 bei 84 Prozent; in allen neuen Bundesländern liegt die Quote über 90 Prozent. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Minijobbenden lag im gleichen Jahr bei 8,65 EUR (West 8,80 EUR und Ost 7,07 EUR) und liegt damit deutlich unter dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst aller Beschäftigten von 17,05 EUR (West 17,55 EUR und Ost 13,81 EUR) für das Jahr 2010. Auffallend ist, dass der Bruttostundenverdienst aller Beschäftigten von 2006 zu 2010 von 16,20 auf 17,05 EUR gestiegen, bei den Minijobbenden hingegen von 8,99 auf 8,65 EUR gesunken ist.

 

Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, fordert die Abschaffung der Minijobs, da sie in besonderer Weise zu Prekarisierung insbesondere bei Frauen und jungen Menschen beitragen und zu Erwerbs- und Altersarmut führen:

„Das Jobwunder ist eine Nullnummer und Minijobs sind eine Falle für Frauen: Der ganze Agenda-Mist, zu dem Minijobs gehören, hat nicht mehr Arbeit geschaffen. Die Arbeit wird nur auf mehr Köpfe verteilt – und das allzu oft in nicht existenzsichernde Minijobs. Minijobs sind aber nur ein Aspekt prekärer Beschäftigung. Immer mehr Beschäftigte werden befristet, müssen unfreiwillig in Teilzeit oder Leiharbeit und werden obendrein auch noch mies entlohnt. Dass Löhne vielen Menschen nicht zum Leben reichen, zeigt der deutliche Anstieg bei den Beschäftigten, die neben ihrem Hauptberuf noch einen Minijob ausüben. Dass jeder vierte junge Mensch nur mit einem Minijob abgespeist wird, stößt mir besonders übel auf. Wo sind die Perspektiven, insbesondere für junge Leute? Durch den Mindestlohn wurde zwar eine geringe Anzahl von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen umgewandelt, aber das reicht hinten und vorn nicht aus. Arbeit muss ab der ersten Stunde der vollen Sozialversicherungspflicht unterliegen.“

Die Ergebnisse im Einzelnen:

 

  • 2015 gab es 7.381.055 geringfügig entlohnt Beschäftigte (+ 11,7 Prozent zu 2006); davon 4.506.670 Frauen (61,1 Prozent) und 2.874.385 Männer (38,9 Prozent) [s. Antwort auf Frage 1 und Tab. 1 im Anhang, S. 1-5]. Davon ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigte 4.902.198 (- 1,5 Prozent zu 06/2006) und 2.478.857 im Nebenjob geringfügig entlohnt Beschäftigte (+ 52 Prozent  zu 06/2006) [s. Tab. 1 im Anhang, S. 5-15].
  • 2015 betrug der Anteil der geringfügig entlohnt Beschäftigten an allen Beschäftigten bundesweit 20,5 Prozent (2006: 20,8 Prozent); der Anteil der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigte 13,6 Prozent (2006: 15,6 Prozent) und der Anteil der für die im Nebenjob geringfügig entlohnt Beschäftigten 6,9 Prozent (2006: 5,1 Prozent) [s. Tab. 2 im Anhang, S. 16-30].
  • 2015 übte bereits jeder dritte Minijobbende (33,6 Prozent) diese Tätigkeit im Nebenjob zusätzlich zur Haupterwerbstätigkeit aus; 2006 war es noch jede/r Vierte mit einem Anteil von 24,7 Prozent  [s. Antwort auf Frage 3 und Tab. 3 im Anhang, S. 31-35].
  • Jede/r vierte junge Beschäftigte unter 25 Jahren war 06/2015 ausschließlich geringfügig entlohnt beschäftigt: 23,7 Prozent (06/2006: 21,5 Prozent; West 22,6, Ost 16,1 Prozent). Der Anteil liegt in West bei 24,3 und in Ost bei 19,1 Prozent [s. Antwort auf Frage 4 und Tab. 4 im Anhang, S. 36-40].
  • Der Einzelhandel beschäftigte 2015 die meisten Minijobber (898.020), gefolgt von der Gastronomie (775.579 Minijobber),  der Gebäudebetreuung (574.680 Minijobber) und dem Gesundheitswesen (273.838 Minijobber) [s. Antwort auf Frage 5 und Tab. 5, S. 41 ff].
  • Der Wirtschaftszweig »Private Haushalte mit Hauspersonal« war im Juni 2015 mit 80,8 Prozent derjenige mit dem höchsten Anteil an Minijobbenden [s. Antwort auf Frage 6 und Tab. zu Frage 6, S. 213 ff].
  • Qualifikationsniveau der Minijobbenden im Vergleich zu allen Beschäftigten im Juni 2015: Personen ohne Berufsabschluss überrepräsentiert (19,3 zu 13,2 Prozent), Personen mit anerkanntem Berufsabschluss bzw. mit akademischem Berufsabschluss seltener (6,4 zu 13,0).  [s. Antwort auf Frage 7 und Tab. zu Frage 7, S. 270-271].
  • Tätigkeitniveaus der Minijobbenden im Vergleich zu allen Beschäftigten im Juni 2015: Auffallend hoch sind Helfertätigkeiten (44,4 zu 19,6 Prozent) und Tätigkeit als Fachkraft (43,7 zu 56,7 Prozent), Spezialisten (4,6 zu 11,4 Prozent) und Experten (3,6 zu 11,3 Prozent) dagegen seltener [s. Antwort auf Frage 8 und Tab. zu Frage 8, S. 272-273].
  • Der Anteil befristeter Minijobbender an allen Minijobbenden war 2014 im Vergleich zur Gesamtwirtschaft höher: 14,4 zu 9,0 Prozent. Dieses Verhältnis zieht sich durch alle Altersgruppen, Geschlechter und Regionen: Männer 19,6 zu 8,6 Prozent und Frauen 12,0 zu 9,3 Prozent; West 13,4 zu 8,7 Prozent und Ost 20,7 zu 9,9 Prozent [s. Antwort auf Frage 9 und Tab. zu Frage 9, S. 275 ff].
  • Anteil der Minijobbenden in Leiharbeit im Juni 2015: 73.000 geringfügig entlohnt Beschäftigte (1 Prozent), davon 45.000 ausschließlich und 28.000 im Nebenjob [s. Antwort auf Frage 10 und Tab. zu Frage 10, S. 292 ff].
  • Anteil der Minijobbenden, die auf den Bruttolohn bezogen unterhalb der Niedriglohnschwelle entlohnt werden 2010: 84 Prozent (West 84 Prozent, Ost 92 Prozent); in allen neuen Bundesländern liegt die Quote über 90 Prozent [s. Antwort auf Frage 11 und Tab. zu Frage 11, S. 352].
  • Der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Minijobbenden lag im Jahr 2010 bei 8,65 EUR (West 8,80 EUR und Ost 7,07 EUR). Dieser Verdienst liegt über die Hälfte unter dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst 2010: 17,05 EUR (West 17,55 EUR und Ost 13,81 EUR). Interessanterweise ist der Bruttostundenverdienst bei allen Beschäftigten von 2006 zu 2010 gestiegen (von 16,20 auf 17,05 EUR), bei den Minijobbenden hingegen gesunken (von 8,99 auf 8,65 EUR) [s. Antwort auf Frage 12 und Tab. zu Frage 12, S. 353-354].
  • Im Jahr 2014 lagen die durchschnittlich geleisteten Wochenarbeitsstunden bei abhängigen Erwerbstätigen mit hauptsächlich geringfügiger Beschäftigung bei 12,1 Stunden (West 11,9, Ost 13,1 Stunden). Männer arbeiten mit 13,4 Wochenstunden knapp 2 Stunden mehr als Frauen (11,6 Stunden) [s. Antwort auf Frage 13 und Tab. zu Frage 13, S. 355-356].
  • Auswirkung durch Einführung des Mindestlohns (gem. IAB Arbeitsmarktspiegel, 15.01.2016):
  • Die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten ist von 12/2014 auf 01/2015 stärker als üblich um 160.000 Personen gesunken. Der relative Rückgang, d. h. in Bezug auf die bestehende ausschließliche Beschäftigung, ist in Ostdeutschland stärker als in Westdeutschland. Darüber hinaus sind von 12/2014 auf 01/2015 ca. 100.000 ausschließlich geringfügig Beschäftigte in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung übergegangen (doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum) [s. Antwort auf Frage 16].


[1] Siehe Antwort auf Frage 1 in KA „Arbeitsbedingungen im Einzelhandel“ 18/7325 vom 19.01.2016

 

linksfraktion.de, 15. März 2016