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Hochzeitsglocken noch vor der Sommerpause?

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Nach dem Referendum in Irland für eine komplette rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren wächst auch der Druck auf die Bundesregierung. “Die Tatsache, dass in einem streng katholischen Land wie Irland sich eine klare Mehrheit für eine Ehe von Lesben und Schwulen ausspricht, bedeutet eine kulturelle Revolution”, kommentiert Gregor Gysi. Der Rechtsausschuss des Bundestages wird sich am 1. Juli auf Antrag der LINKEN in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe befassen. “Die Union muss nun endlich ihre Blockadehaltung aufgeben und die SPD ihr Wahlkampfversprechen einlösen”, fordert Queerpolitiker Harald Petzold.

Nach dem Referendum in Irland für eine komplette rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren wächst auch der Druck auf die Bundesregierung. Mit 62 zu 38 Prozent der Stimmen entschieden die Irinnen und Iren bei einem Volksentscheid am 22. Mai, dass in ihrem Land gleichgeschlechtlich veranlagte Menschen miteinander den Bund der Ehe eingehen können. “Die Tatsache, dass in einem streng katholischen Land wie Irland sich eine klare Mehrheit für eine Ehe von Lesben und Schwulen ausspricht, bedeutet eine kulturelle Revolution”, kommentiert Gregor Gysi: “Nun darf es in Deutschland kein Zögern mehr geben. Unverzüglich müssen wir nachholen, was die Iren uns vorgemacht haben.” Gysi weiter: ”Die kulturelle Erziehung der Union muss Schwung bekommen.”

Harald Petzold, queerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, will sich “nicht vorstellen, dass das aufgeklärte Deutschland wegen eines Häufleins Zurückgebliebener in CSU und CDU hinter der Einsicht der katholischen Iren zurück bleibt.” Es sei gewiss das Privileg der Konservativen, die Wirklichkeit aus der Perspektive der Vergangenheit zu betrachten. Wenn das aber dazu führe, dass auch in Zukunft gleichgeschlechtlichen Paaren die rechtliche Gleichstellung verweigert werde, sei das nicht mehr nur konservativ, sondern reaktionär. Petzold fordert die Bundeskanzlerin auf, bei der Kabinettssitzung am Mittwoch dem Spuk ein Ende zu bereiten. “Sie hat bei der Wehrpflicht und dem Atomausstieg bewiesen, dass sie das kann, wenn sie es denn will”, so der Queerpolitiker.

Kritik erntet auch Bundesjustizminister Maas. Dessen “Gejammer”, das volle Eherecht für gleichgeschlechtliche Paare sei mit der CDU/CSU nur schwer realisierbar, ist für Harald Petzold unverständlich: ”Die von ihm angekündigten ‚Verbesserungen‘ von 23 verschiedenen Gesetzen sind reine Kosmetik. Er und die SPD müssen die Frage beantworten, warum ihnen falsch verstandene Koalitionstreue wichtiger ist als die Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten. Die Gesetzentwürfe meiner Partei und der Bündnisgrünen zeigen: Eine Mehrheit im Parlament gibt es.“

Thüringens Landesregierung will über eine Bundesratsinitiative die volle Gleichstellung von Lesben und Schwulen bei Eheschließungen erreichen. Das rot-rot-grüne Kabinett in Erfurt hat am Dienstag beschlossen, einen Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes zu erarbeiten. Ministerpräsident Bodo Ramelow moniert: “Die Gesellschaft ist längst weiter als die Politik.” Die Ehe müsse “für alle geöffnet werden”. Man brauche “keine halben Lösungen, sondern eine klare Regelung im Grundgesetz”. Ramelow lässt keinen Zweifel: “Unser Ziel ist es, die Debatte zu beschleunigen.”

Der Rechtsausschuss des Bundestages wird sich am 1. Juli auf Antrag der LINKEN in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe befassen. Darin argumentiert DIE LINKE: “Gleichgeschlechtlichen Paaren ist bis heute die Ehe verwehrt, was eine konkrete und symbolische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität darstellt. Angesichts des gesellschaftlichen Wandels und der damit verbundenen Änderung des Eheverständnisses gibt es keine haltbaren Gründe, homo- und heterosexuelle  Paare  unterschiedlich  zu  behandeln  und  am  Ehehindernis  der Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten. Darüber hinaus sind gleichgeschlechtliche Paare  trotz  Einführung  des  Instituts  der  Eingetragenen  Lebenspartnerschaft im Jahre 2001 in einer Reihe von Rechtsbereichen noch immer gegenüber der Ehe benachteiligt. Dies betrifft  in erster  Linie das Steuerrecht und das gemeinsame Adoptionsrecht.”

Bereits 2011 stimmten in einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung stimmten 60,3 Prozent der Befragten der These „Es ist eine gute Sache, Ehen zwischen zwei Frauen bzw. zwei Männern zu erlauben.“ voll und ganz bzw. eher zu. Lediglich die Minderheit von 39,8 Prozent stimmte der These eher nicht bzw. überhaupt nicht zu. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage von Ende Februar 2013 wünschen sich 74 Prozent der Bevölkerung eine Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen, lediglich 23 Prozent sind dagegen. Diese Zahlen sind ein deutlicher Beweis dafür, dass die ursprüngliche Voraussetzung der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten von der Bevölkerung heute nicht mehr als prägend für die Ehe verstanden wird. Gefördert wird dieser Wandel des Eheverständnisses durch die Strukturgleichheit beider Rechtsinstitute, die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs bestätigt wurde.

Die durch das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 beabsichtigte rechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Ehepaaren ist auch in weiten Teilen des Rechts nachvollzogen worden. Weiterhin bestehende Ungleichbehandlungen sind dennoch mehrfach erst durch das Bundesverfassungsgericht beanstandet worden. So hat das Bundesverfassungsgericht am 19. Februar 2013 die Nichtzulassung der sukzessiven Adoption angenommener Kinder eingetragener Lebenspartner durch den anderen Lebenspartner für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Diese Entscheidung reiht sich ein in die Entscheidungen des  Bundesverfassungsgerichts, mit denen gesetzliche Regelungen  beanstandet worden sind, die eine Ungleichbehandlung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe enthalten. In der Entscheidung stellt das Gericht auch klar, dass gleichgeschlechtliche Paare die dauerhaft mit einem Kind in einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung leben, eine Familie sind und unter dem Schutz des Artikels 6. Absatz 1 GG stehen. „Wo ein gleichgeschlechtliches Paar dauerhaft mit einem Kind in einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung zusammenlebt, lässt sich das Bestehen einer  Familie tatsächlich nicht in Abrede stellen. Ihr den Schutz des Familiengrundrechts zu verweigern, widerspräche dem Sinn des auf den Schutz der sozialen Familiengemeinschaft gerichteten Familiengrundrechts.“ Und: „Die sozial-familiäre Gemeinschaft aus eingetragenen Lebenspartnern und dem leiblichen oder angenommenen Kind eines Lebenspartners bildet eine durch Art. 6 Absatz 1 GG geschützte Familie; auf den Schutz des Familiengrundrechts können sich alle Beteiligten jeweils eigenständig berufen.“

Noch in der ersten Sitzungswoche im Juli ist “ein Zustimmungsbeschluss im Deutschen Bundestag möglich. Die rechnerische Mehrheit dafür wäre vorhanden. Damit würde Deutschland noch vor der Sommerpause die Hochzeitsglocken für gleichgeschlechtliche Paare läuten lassen”, wirbt Harald Petzold: “Die Union muss nun endlich ihre Blockadehaltung aufgeben und die SPD ihr Wahlkampfversprechen einlösen!”