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»Hochmut kommt vor dem Fall«

Im Wortlaut von Petra Pau,

Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestages und Mitglied des Vorstandes der Fraktion DIE LINKE, über den Rückzug von Guido Westerwelle, ihre Erfahrung mit liberalen Politikern und den Zustand der schwarz-gelben Bundesregierung

Guido Westerwelle gibt den Parteivorsitz der FDP ab. Ihre Meinung dazu?

Petra Pau: Ich kommentiere keine Personaldebatten in anderen Parteien.

Westerwelle will zugleich Bundesaußenminister bleiben.

Das halte ich für eine Fehleinschätzung. Wer von der eigenen Partei nicht mehr getragen wird - und danach sieht es ja aus -, der kann auch schlecht die Bundesrepublik Deutschland weltweit repräsentieren.

"Wir haben eine erfolgreiche Koalition", hat Westerwelle in seiner Abtrittserklärung über Schwarz-Gelb gesagt.

Man kann es auch anders sagen: Je erfolgreicher sich Schwarz-Gelb wähnt, desto schlechter ist es für das Land und die meisten Bürgerinnen und Bürger.

Konkreter bitte.

Erstens: CDU, CSU und FDP haben den ohnehin halbherzigen rot-grünen Atomausstieg im Interesse von vier großen Konzernen aufgekündigt. So gefährdet man das ganze Land. Zweitens: Die finanzielle Umverteilung von unten nach oben hat unter Schwarz-Gelb noch einmal Fahrt aufgenommen. Die Reichen werden immer reicher und die Armen noch ärmer. Die Kommunen bluten finanziell aus. So unterspült man die Demokratie. Drittens: Vom lediglich taktischen Nein in der aktuellen Libyenkrise abgesehen, haben die FDP und Westerwelle stets jedem Kriegseinsatz der Bundeswehr zugestimmt. So lässt sich kein Frieden schaffen - im Gegenteil.

Sie kennen Guido Westerwelle aus 13 Jahren gemeinsamer Bundestagszeit. Wie  war er als Kollege?

Zwiespältig: Mal hat er wie ein wohlerzogener rheinischer Anwalt agiert, mal schreckte er auch vor Beleidigungen und Lügen nicht zurück.

Lügen?

Im Wahlkampf verkündete er landauf, landab, bei Rot-Rot in Berlin verkomme Bildung zum Glücksspiel, weil Gymnasialplätze per Lotterie verlost würden.

Und?

Mein Kollege Stefan Liebich hat ihm daraufhin in einem langen Brief erläutert, dass dies mitnichten so ist, und dass er da offenbar falsch gebrieft worden sei.

Geht doch.

Nützt nur nichts, er log öffentlich weiter. Und bitte vergessen wir auch nicht: Zunehmend hat er die NPD und DIE LINKE in einen Topf geworfen, immer radikaler und immer lauter. So verharmlost man Faschisten.

Ihnen wird ein gutes Verhältnis zu etlichen FDP-Leuten nachgesagt. Ist das nicht rufschädigend - für Sie und für DIE LINKE.

Es gibt einige Kolleginnen und Kollegen bei der FDP, die ich ob ihres  bürgerrechtlichen Engagements schätze. Manchmal trafen wir uns auch beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wieder, weil wir gemeinsam gegen so genannte Sicherheitsgesetze der jeweils aktuellen Regierung geklagt hatten.

Wer wird neuer FDP-Vorsitzender?

Das ist mir Wurscht. Entscheidend ist: Wir brauchen in zentralen Fragen einen generellen Politikwechsel. Dafür wiederum muss DIE LINKE stark und gefragt sein. Und wenn man aus den aktuellen FDP-Querelen allgemein etwas lernen kann, dann erneut das: Hochmut kommt vor dem Fall.

Interview: Rainer Brandt

linksfraktion.de, 3. April 2011