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Heftige Kritik an Merkels Bush-Besuch: Lafontaine beklagt ziellose Außenpolitik

Im Wortlaut von Oskar Lafontaine,

Ein vernichtendes Urteil über die USA-Reise der Bundeskanzlerin hat Linksfraktionschef Lafontaine gefällt: Merkel wisse «in zentralen außenpolitischen Fragen» nicht, wohin sie wolle, sagte er der Netzeitung.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schwere Versäumnisse in der Außenpolitik vorgeworfen. Beim aktuellen Besuch der Kanzlerin in Washington denke er an den Spruch «Außer Spesen nichts gewesen», sagte Lafontaine der Netzeitung. Merkel habe «nichts bewegt, und diese Ergebnislosigkeit versucht sie mit wortreichen Erklärungen zu überdecken», kritisierte er.

Lafontaine warf Merkel eine ziellose Außenpolitik vor. «Um zu sagen, was man will, muss man wissen, was man will», sagte er und fügte hinzu: «Ich kann nicht erkennen, dass Frau Merkel in zentralen außenpolitischen Fragen weiß, wohin sie möchte.» Der Linksfraktionschef forderte daher, Deutschland müsse die eigene Souveränität dadurch erlangen, «dass die Kanzlerin klar sagt, ob sie sich an völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligt oder nicht».

Enttäuscht von Nahost-Vorstoß

Merkel hatte sich bei US-Präsident George W. Bush für eine Wiederbelebung des Nahost- Friedensprozesses eingesetzt. Beide einigten sich in Washington auf eine enge Abstimmung bei der Suche nach Lösungen. Merkel betonte, sie glaube, die Europäische Union könne im Rahmen des Nahost-Quartetts einen konstruktiven Beitrag leisten. Zugleich plädierte die Kanzlerin für eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser. Bush kündigte eine baldige Reise seiner Außenministerin Condoleezza Rice in die Region an.

Linksfraktionschef Lafontaine zeigte sich enttäuscht vom Nahost-Vorstoß Merkels. Zwar habe sie vorgeschlagen, dass das Nahost-Quartett seine Arbeit wieder aufnehmen solle. «Aber weder sie noch Bush haben deutlich gemacht, welche Ziele das Quartett verfolgen soll», kritisierte er. Zugleich betonte er, «dass nur eine konsequente Beachtung des Völkerrechts durch alle Beteiligten Grundlage eines Friedensprozesses sein» könne. Dazu zählt aus seiner Sicht auch die «strikte Einhaltung» des Atomwaffensperrvertrages.

Vorschlag von US-Politikern

«Ziel muss sein, den Nahen Osten zur atomwaffenfreien Zone zu machen», forderte Lafontaine unter Hinweis auf einen Vorschlag der ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger und George Shultz. Die beiden hatten sich zusammen mit anderen prominenten US-Politikern für einen stärkeren Abbau amerikanischer Atomwaffen ausgesprochen. «Diese Anregung könnte insbesondere im Nahen Osten Anwendung finden», sagte Lafontaine.

Ein weiteres Thema beim Merkel-Treffen mit Bush war die transatlantische Wirtschaftspartnerschaft, bei der es unter anderem um den Schutz geistigen Eigentums sowie die Anerkennung technischer Standards geht. Die Regierungschefs erörterten auch das gemeinsame Vorgehen im Atomstreit mit dem Iran und den Klimaschutz. Dabei zeigte sich der Präsident offen für neue Konzepte und versicherte, er fühle sich der Förderung energie-sparender Technologien verpflichtet.

«Wichtige Fragen» nicht angesprochen

Wie der Linksfraktionschef sagte, hat es Merkel dabei «versäumt, die für Deutschland wichtigen Fragen im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten anzusprechen». Für ihn hätte sich die Währungsfrage angeboten. Denn es sei nicht auszuschließen, dass dem Dollar eine «drastische Abwertung» bevorstehe. «Hier wäre es Aufgabe der deutschen Bundeskanzlerin gewesen, das Thema anzusprechen, zumal der aktuelle Wachstumskurs unserer Volkswirtschaft auf fast 40 Prozent Exportanteil beruht», argumentierte der Linksfraktionschef.

«Ich hätte deshalb erwartet, dass die Kanzlerin klar macht, ob sie beabsichtigt, die währungspolitischen Möglichkeiten des Europäischen Vertrages zu nutzen.» Nach dem Artikel 111 des EU-Vertrages könnte Merkel als Präsidentin des Europäischen Rates der Notenbank EZB eine Weisung geben, um einen zu starken Abfall des Dollars zu bremsen, erläuterte der Linkspartei-Politiker. Dazu müsste sie sich allerdings mit den anderen 26 europäischen Regierungschefs einigen.

«Beihilfe zum Bruch des Völkerrechts»

Als unzureichend kritisierte Lafontaine überdies Merkels Haltung zur Iran-Politik der Vereinigten Staaten. «Angesichts der anhaltenden Kriegs-Drohungen der USA gegen den Iran wäre es Aufgabe der Kanzlerin gewesen, deutlich zu machen, dass Deutschland anders als im Irak-Krieg keinerlei Unterstützung für einen weiteren völkerrechtswidrigen Krieg gewährt», sagte er. «Sie hätte klar sagen müssen, dass die USA ihre Flugplätze und militärischen Einrichtungen auf deutschem Territorium dafür nicht benutzen darf.»

Lafontaine bemängelte, dass die Bundesregierung seit Jahren nicht zur Kenntnis nehmen wolle, dass sie am Irak-Krieg beteiligt gewesen sei und damit «Beihilfe zum Bruch des Völkerrechts» geleistet habe. «Leider» ignoriere die Bundesregierung, dass auch das Bundesverwaltungsgericht «diesen gravierenden Sachverhalt» festgestellt habe. «Jetzt, angesichts der kriegerischen Iran-Politik der USA, hätte Frau Merkel die Gelegenheit gehabt, eine Kurskorrektur einzuleiten», meinte Lafontaine.

Netzeitung, 5. Januar 2007