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Hebamme mit Kind im ArmFoto: istockphoto.com/andriano_cz

Hebammen-Haftpflicht um rund 310 Prozent gestiegen

Nachricht von Birgit Wöllert, Cornelia Möhring,

Die Haftpflicht für Hebammen ist um ein vielfaches teurer geworden. Das geht aus den Antworten der Bundesregierung (PDF) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag hervor. Freiberuflich arbeitende Hebammen können diese Kosten für ihre Berufshaftpflichtversicherung kaum decken. Das kommt somit fast einem Berufsverbot gleich, denn ohne die Versicherung dürfen sie nicht arbeiten.

Gegenstand und Ausgangslage:

Die seit Jahren steigenden Prämien zur Berufshaftpflichtversicherung stellen insbesondere für in der Geburtshilfe tätige freiberufliche Hebammen eine starke finanzielle Belastung dar.

Darauf wurde 2014 im GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG) mit einem Sicherstellungszuschlag für freiberuflich tätige Hebammen reagiert. Der Sicherstellungszuschlag sollte vor allem erreichen, „dass auch Hebammen mit wenigen Geburten durch ihre Prämie zur Berufshaftpflichtversicherung nicht überlastet werden“ (BT-Drs. Ausschuss für Gesundheit 18(14)0030.3neu vom 3. Juni 2014, S. 3). Details des Sicherstellungszuschlages auszuhandeln, oblag den Partner*innen der Selbstverwaltung.

Diese Verhandlungen endeten am 25. September 2015 mit dem Beschluss der Schiedsstelle, auf deren Basis seit Beginn des Jahres 2016 verfahren wird.

Die KA zielt v.a. auf Auskünfte zur Höhe und Reichweite des Sicherstellungszuschlages und damit auf die perspektivischen Effekte auf die Versorgung.

 

Ausgewählte Ergebnisse:

Für geburtshilflich tätige freiberufliche Hebammen beträgt die Höhe der Haftpflichtprämie aktuell (für 2016) 6.843 Euro im Jahr (in der Gruppenhaftpflichtversicherung des Deutschen Hebammenverband, A 2). Im Vergleich zur Höhe im Jahr 2007 (1.587 Euro) ist dies ein Anstieg um 331 Prozent.

Von den im Jahr 2016 insgesamt 18.032 freiberuflich tätigen Hebammen (A 1) waren 5.248 auch geburtshilflich tätig (A 2) – das entspricht 29,1%.

Legt man die Höhe der jährlichen Haftpflichtprämie in der Gruppenhaftpflichtversicherung des Deutschen Hebammenverband zugrunde und geht davon aus, dass dieser von allen 5.248 auch geburtshilflich tätigen freiberuflichen Hebammen gezahlt wird, ergibt sich (im Rahmen der Gruppenhaftpflichtversicherung des Deutschen Hebammenverbandes) eine Einnahmen- bzw. Gesamthaftpflichtkostenhöhe von 35.912.064 Euro.

Von den 5.248 freiberuflichen Hebammen, die 2016 Geburtshilfe angeboten haben, haben inzwischen 2.304 Hebammen (51% der freiberuflichen Hebammen) einen Antrag auf Sicherstellungszuschlag gestellt (A 4); Anträge können aber auch noch bis zu vier Jahre später gestellt werden (A 4).

Die Höhe des durchschnittlichen Auszahlungsbetrages beträgt aktuell ca. 3.732 Euro (A 6) – das entspricht 54,5% der Höhe der Haftpflichtprämie im Jahr 2016; die bislang ausgezahlte Gesamtsumme beträgt 8,6 Mio. Euro (A 6).

Geht man davon aus, dass sich die Höhe des aktuellen durchschnittlichen Auszahlungsbetrages des Sicherstellungszuschlages von 3.732 Euro auch in den nächsten Jahren nicht ändert, haben alle geburtshilflich tätigen Hebammen einen jährlichen durchschnittlichen (Fehl-)Betrag von 3.111 Euro bei der Haftpflichtprämie aus eigener Tasche zu tragen bzw. sie müssen ihn aus anderen Quellen speisen. Dies sind im Monat 259 Euro.

Das bestätigt prinzipiell auch die Bundesregierung: Das „von der Schiedsstelle festgelegte Berechnungsmodell deckt […] nicht die komplette Haftpflichtprämie ab“ (A 12). Dies gilt ausdrücklich auch für Hebammen mit hoher Anzahl an betreuten Geburten (A 12) sowie generell für jede denkbare Anzahl pro Jahr betreuter Geburten (A 14). Beides entspricht nach „Einschätzung der Bundesregierung der Intention des Gesetzes“ (A 12 & 15).

Zu decken sind diese finanziellen Lücken von den Hebammen aus den „Vergütungen, die sie von den Krankenkassen“, durch Generierung „weiterer Einnahmen […], zum Beispiel für Privatversicherte oder Selbstzahler“ (A 15).

 Zur Vergütung für geburtshilfliche und nicht-geburtshilfliche Hebammenleistungen, monatliche durchschnittliche Einkünften von Hebammen sowie zu Betriebsausgaben liegen keine verlässlichen Zahlen vor (A 9)

 

"Zur Lösung des Problems der Haftpflichtversicherung besteht nach wie vor dringender Bedarf", stellt Birgit Wöllert, Obfrau für die Fraktion DIE LINKE im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, angesichts der Antworten der Bundesregierung fest. "Der Vorschlag der LINKEN, einen staatlichen, beim Bundesversicherungsamt angesiedelten Haftungsfonds für alle Gesundheitsberufe einzurichten, liegt seit Jahren auf dem Tisch. Eine nachhaltige oder auch nur befriedigenden Lösung wurde mit dem Sicherstellungszuschlag jedenfalls nicht erreicht."

Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, sagt: "Das ist doch nun wirklich eine Binsenweisheit: Wer keine Ahnung von der Materie hat, der kann auch nicht sinnvoll handeln. Die Bundesregierung gibt aber offen zu, dass es zur Frage der monatlichen Einkünfte der Hebammen ‚keine validen, repräsentativen Aussagen‘ gibt und auch zu den ‚Betriebsausgaben liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse‘ vor. Das kann doch nicht sein. Die Wissenslücken zeigen einmal mehr, dass die Datenlage verbessert und eine Bedarfsanalyse auf den Weg gebracht werden muss – und dann endlich gehandelt!"