Zum Hauptinhalt springen

»Hamburg ist eine sozial tief gespaltene Stadt«

Im Wortlaut,


Dora Heyenn, Fraktionsvorsitzende DIE LINKE. in Hamburg, im Interview mit linksfraktion.de über das erfolgreiche Abschneiden bei der Bürgerschaftswahl, soziale Misstände in der Hansestadt und die Zusammenarbeit der Linksfraktionen in Bund und Ländern
Erstmal herzlich Glückwunsch zu dem ausgezeichneten Wahlergebnis. Welche Auswirkungen wird das auf die künftige Arbeit der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft haben?

Dora Heyenn: Vielen Dank, wir sind hier in Hamburg natürlich sehr zufrieden. Wir haben 2,1 Prozent zugelegt und werden künftig mit 11 Abgeordneten, das heißt drei mehr als vorher, in der Bürgerschaft vertreten sein. Dabei wird es personell eine Mischung aus Kontinuität und Veränderung geben, fünf neue Gesichter werden für DIE LINKE in der Bürgerschaft sitzen. Wir sehen das gute Wahlergebnis als Bestätigung für unseren engagierten Wahlkampf und für unseres langjähriges politisches Engagement für soziale Gerechtigkeit in der Bürgerschaft und auf der Straße. Das können wir mit dieser Verstärkung in der kommenden Wahlperiode noch erfolgreicher fortsetzen. Wir wollen einen Politikwechsel, der Hamburg zu einer weltoffenen Stadt macht, in der die Menschen in Frieden, Würde und sozialer Sicherheit leben und die Verhältnisse demokratisch gestalten. Kinder dürfen nicht in Armut aufwachsen.
Was möchten Sie von Hamburg aus bundespolitisch bewegen?   Von zentraler Bedeutung ist natürlich die Steuerpolitik. Die verfehlte Steuersenkungspolitik hat dazu geführt, dass den öffentlichen Haushalten massiv Einnahmen verloren gegangen sind. Das bekommen wir auf Länderebene bitter zu spüren: Hamburg ist eine sozial tief gespaltene Stadt, in der seit Jahren der Rotstift regiert. Elementare Ausgaben werden gekürzt. Das trifft die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, öffentliche Gebäude, Straßen und Grünflächen sind in schlechtem Zustand, weil Investitionen wegen des Spardiktats ausbleiben. Hamburg ist Hauptstadt der Kinder- und Altersarmut. Immer mehr Beschäftigte haben unsichere Arbeitsverhältnisse. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst und betrifft alle Lebensbereiche: Arbeit, Wohnen, Bildung, Gesundheit und Kultur. Mit der anstehenden Schuldenbremse werden die Spielräume der Länder noch weiter eingeengt. Wir bleiben dabei, die öffentlichen Haushalte haben kein Ausgabenproblem, sondern ein Einnahmeproblem und gerade die Wohlhabenden müssen stärker daran beteiligt werden.    Wie können die Linksfraktionen von Bund und Ländern gemeinsam politisch an einen Strang ziehen?   Wenn man sich die zentralen Themen der Hamburger LINKEN anschaut, stellt man fest, dass viele davon Bundesthemen sind: Bezahlbarer Wohnraum und Öffentlicher Nahverkehr, mehr ErzieherInnen in Kitas, Bleiberecht für Flüchtlinge, Rekommunalisierung der Krankenhäuser und Pflegeheime, gegen Altersarmut, Waffenexporte, TTIP und Olympia. Das gilt gerade für besonders wichtige Themen wie Hartz IV oder Frieden. Waffenexporte werden auf Bundesebene genehmigt, aber Hamburg ist ein wichtiger Umschlagplatz. Unsere Stadt ist das Tor zum Tod in der Welt: Fast 1000 Container mit Munition und Raketen im Jahr gehen gehen über den Hamburger Hafen in alle Welt. Das haben wir mit zahlreichen schriftlichen Anfragen in Zusammenarbeit mit der Bundestagsfraktion herausgefunden und öffentlich gemacht. Es gibt bei diesem Thema eine gute und langfristige Zusammenarbeit und es ergeben sich immer wieder Punkte an denen sich mit vereinten Kräften mehr erreichen lässt.    Welche Rolle spielt die Fraktionsvorsitzenden-Konferenz (FVK) dabei?   Die Fraktionsvorsitzenden-Konferenz der LINKEN ist ein wichtiges Gremium für den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Linksfraktionen aus Bund, Ländern und Europa. Man kann sich thematisch abstimmen, gemeinsame Initiativen entwickeln oder auch einfach manche Inspirationen von anderen Landtagsfraktion für die eigene Arbeit übernehmen. Auch die Zusammenarbeit Landtagsfraktion mit den Fraktionen im Bundestag und Europaparlament wird immer wichtiger. Die Fraktionsvorsitzenden-Konferenz der LINKEN hat erst kürzlich in Hamburg getagt und dabei die soziale Frage, die Olympia-Bewerbungen von Hamburg und Berlin und die Aufnahme von Flüchtlingen thematisiert. Das sind Themen in denen der Austausch zwischen den betroffenen Landtagsfraktionen und auch mit der Bundesfraktion außerordentlich wichtig und auch fruchtbar ist.    Gibt es aus Hamburger Sicht noch weitere konkrete Beispiele für die Zusammenarbeit?   Da gibt es eine ganze Menge. Vieles, was wir in Hamburg aus der Opposition heraus erreicht haben, haben wir im Rahmen der FVK kommuniziert und es wurde von anderen Fraktionen in Angriff genommen und teilweise auch erfolgreich umgesetzt. Wir haben aufgedeckt, dass durchschnittlich vier- bis fünfmal in der Woche Atomtransporte durch Hamburg führen und haben uns dafür eingesetzt, den Hamburger Hafen für Atomtransporte zu sperren. Das hat leider hier bis heute noch nicht geklappt, aber unsere GenossInnen in Bremen konnten das in der Bürgerschaft tatsächlich durchsetzten. Dass die üppigen Ruhe- und Übergangsregelungen für ehemalige Senatsmitglieder reduziert wurden – inzwischen ist Schluss mit der Rente ab 55 für Ex-Senatoren – und eine Karenzeit für Politiker vor dem Wechsel in die Wirtschaft eingeführt wurde – das haben in Hamburg wir durchgesetzt und andere Linksfraktionen haben bereits oder werden diese auf die politische Tagesordnung setzen.   Ein besonderes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit der Brandenburger Fraktion: Wir haben zunächst als einige in Hamburg auf die systematische Misshandlung von Kinder und Jugendlichen in den Haasenburg-Heimen in Brandenburg hingewiesen und in Zusammenarbeit mit unserer Fraktion dort dafür gesorgt, dass die Haasenburg geschlossen wurde. 

linksfraktion.de, 18. Februar 2015