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»Gute Schulen statt Camps«

Im Wortlaut von Oskar Lafontaine,

Der Linkspartei-Chef über Kochs Wahlkampf und die Jugendkriminalität

Herr Lafontaine, die CDU hat das Thema Jugendkriminalität für den Wahlkampf entdeckt. Warum ist das Ihrer Partei nicht eingefallen?

Das Thema bewegt uns auch. Aber wir sind der Auffassung, dass gute Schulen die besten Erziehungscamps sind. Deshalb wäre Koch gut beraten, seine vermurkste Schulpolitik zu überprüfen, die die Jugendlichen mit ihren verkürzten Gymnasialschulzeiten überfordert. Im Übrigen ist Koch völlig unglaubwürdig. Er hat gerade bei Richtern und Staatsanwälten Personal abgebaut und besetzt Stellen im Justizvollzug nicht.

Ist es unanständig, Streitthemen wie Jugendkriminalität im Wahlkampf aufzugreifen?

Nein. Es kommt aber auf die Begleitmusik an. Auffallend ist doch, dass Koch schweigt, wenn rechte Schläger Ausländer zusammenschlagen.

Brauchen wir eine härtere Gangart gegen junge Kriminelle?

Das glaubt doch die Regierung Koch selbst nicht. Die Erfahrung lehrt, dass Jugendliche, die zu früh in den harten Knast geschickt werden, sich oft zu lebenslangen Gewalttätern entwickeln.

Aber wenn nichts geändert werden müsste, warum haben wir dann diese aufgeregte Debatte?

Eine wichtige Aufgabe wäre es, jetzt mehr für die Integration ausländischer Jugendlicher zu tun. Die Schlüssel sind nach wie vor Bildung und ein ausreichendes Angebot an guten Arbeitsplätzen. Mit Minijobs, Leiharbeit und befristeten Arbeitsverträgen eröffnet man der Jugend keine Zukunft.

Ein fehlender oder mieser Arbeitsplatz ist doch kein Grund, in einer U-Bahn einen Rentner zusammenzuschlagen.

Natürlich nicht. Aber man kann nicht daran vorbeisehen, dass Jugendarbeitslosigkeit zu Frustrationen führen und Gewalt bei denen freisetzen kann, die sich von der Gesellschaft ausgegrenzt fühlen. Deshalb meinen wir, dass man Jugendgewalt am nachhaltigsten bekämpft, wenn man die soziale Lage Jugendlicher verbessert.

Wie soll man aber mit denen umgehen, die schon eine Serie von Straftaten begangen haben?

Wir glauben, dass die Antworten der Bewährungshelfer und derjenigen, die praktische Erfahrung im Strafvollzug haben, eher geeignet sind als die Schnellschüsse der wahlkämpfenden CDU, die vor jeder Wahl kriminelle Ausländer und Jugendliche entdeckt.

Warnschussarrest, Erziehungscamps, raschere Ausweisung junger Täter - gibt es unter den Forderungen der CDU eine, für die Sie sich erwärmen könnten?

Ich teile die Auffassung der Richterschaft und derer, die im Jugendstrafvollzug arbeiten. Die halten die jetzigen Regelungen für ausreichend. Die CDU ruft nach schärferen Gesetzen und Erziehungscamps und baut gleichzeitig das dazu nötige Fachpersonal wie Jugendsozialarbeiter ab. Das passt hinten und vorn nicht zusammen.

Interview: Vera Gaserow

Frankfurter Rundschau, 8. Januar 2008