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Foto: Rico Prauss

Gute Schulden - schlechte Schulden

Im Wortlaut von Dietmar Bartsch,

Beitrag in der Reihe »Was ist systemrelevant?«

Von Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 

 

 

Die Schulden der öffentlichen Haushalte Deutschlands belaufen sich nach Berechnungen der Bundesbank auf 2,1 Billionen Euro (Stand 31. März 2012). Dies entspricht über vier Fünftel der jährlichen Wertschöpfung Deutschlands, des sogenannten Bruttoinlandsproduktes – das sind alle Güter und Dienstleistungen, die im Laufe eines Jahres hergestellt werden. 
Über 1,2 Billionen Euro der Gesamtverschuldungen der öffentlichen Haushalte entfallen auf den Bund. Im Jahr 2011 musste der Bund für seine Schulden an Kreditinstitute und andere Geldgeber 33.000.000.000 Euro Zinsen zahlen, das waren über 90 Mio. Euro pro Tag.

Da kommt der Gedanke auf, Schulden sind a priori schlecht und ohne Schuldenmachen, gehe alles prinzipiell besser. Ein Blick in die Geschichte entwickelter Volkswirtschaften belegt, ihre Entwicklung ist ohne Kreditsystem, ohne die Vorfinanzierung von Investitionen und Anschaffungen undenkbar. Wer (Staats)- Schulden grundsätzlich ablehnt, müsste konsequenter Weise für die komplette Abschaffung des Kreditwesens – also der Banken und Geldinstitute - plädieren. Das wäre politisch naiv.

DIE LINKE tritt in den politischen Auseinandersetzungen über die Bekämpfung der Krisenursachen dafür ein, die Rolle der Banken und Geldinstitute auf das zurückzuführen, was ihre ursprüngliche und eigentliche volkswirtschaftliche Funktion war und ist, jene Finanzmittel zusammenzuführen, mit denen Kredite an Unternehmen, private Haushalte und den Staat bereitgestellt werden können. Aus der Differenz zwischen den Zinsen für den Kreditnehmer und den Zinsen an die Einleger ergibt sich der Bankgewinn.

Die vorherrschende Politik der Krisenbewältigung in Europa hat die Verschuldung der Staaten erst zu dem ökonomischen Problem gemacht.
Die Krisenländer Irland und Spanien erzielten im Durchschnitt der Jahre zwischen 1999 und 2007 sogar Haushaltsüberschüsse. Noch Anfang 2007 nannte die EU-Kommission Spanien ein „Vorbild für Fiskalpolitik in Übereinstimmung mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt“. Dann platzten in beiden Ländern kreditfinanzierte Blasen an den Immobilienmärkten. In Irland hatten sich die Banken darüber hinaus durch Fehlspekulationen mit vielen Milliarden Euro verzockt. Die Steuereinnahmen der Staaten brachen ein, die Ausgaben für Arbeitslose stiegen stark an. Keine staatliche Schuldenbremse hätte das verhindern können. Auch in Deutschland ist die Verschuldung des Bundes in den letzten Jahren auch stark gestiegen, weil der Bund Krisenbanken gerettet hat.


In Deutschland haben SPD, CDU/CSU und Grüne mit Unterstützung der FDP die Finanzmärkte dereguliert und dadurch die Finanzkrise mit verursacht. Der Versuch der Bewältigung dieser Krise trieb die staatlichen Schulden nach oben. Statt Banken auf ihre dienende Funktion für die Realwirtschaft zu beschränken, vergesellschaftet die schwarz-gelbe Koalition die Kosten der Finanzkrise und setzt damit ihre Politik der Umverteilung von unten nach oben fort.

Die Staatsverschuldung, genauer das Wachstum der Staatsschulden muss nicht dauerhaft größer sein als das Wachstum der Volkswirtschaft, ausgedrückt im BIP.
Im Gegenteil: Eine solche Entwicklung, ein solcher Aufwuchs von Schulden, hinter dem die Möglichkeiten zu Bedienung des Kapitaldienstes zurückbleiben, hat negative Auswirkungen auf die politischen Handlungsmöglichkeiten des Staates.


Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse und die Einhaltung einer Schuldenbremse als zentraler Auflage an Krisenstaaten für die Gewährung von Finanzhilfen wurzelt in der falschen Analyse, die Staatsschuldenkrise einiger europäischer Länder sei die Ursache der Krise im Euro-Raum und des Euro als Währung. Und auch in Deutschland ist ein erheblicher Teil der Staatsverschuldung auf klientelbezogene Steuersenkungen zurückzuführen.


Je nach politischer Couleur soll damit aber vor allem der unsoziale Charakter der jeweiligen Haushalts-und Finanzpolitik, der „Sachzwang“ für  angebliche „alternativlose“ Kürzungen im sozialen Bereich begründet werden. 
DIE LINKE fordert Haushaltskonsolidierung und Abbau der öffentlichen Neuverschuldung. Dazu bedarf  es einer Zukunftsinvestitionspolitik, die die Binnenkaufkraft  stärkt, und einer grundsätzlich anderen staatlichen Einnahmepolitik. Aber selbstverständlich müssen auch Ausgaben auf den Prüfstand.

Weltweit gibt es heute schon wieder mehr Reiche und Superreiche als vor der Lehman Brothers-Pleite. Die Politik hat in besonderer Weise in Deutschland dazu geführt, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter geöffnet hat.
Schulden und Verbindlichkeiten, wachsende Armut vieler und steigender Reichtum nur weniger sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. 
Krisenverursacher und Krisengewinner werden nicht zur Kasse gebeten.


In Deutschland gibt es inzwischen über 900 000 Dollarmillionäre. Aber es gibt keine Millionärssteuer, die DIE LINKE fordert und die von vielen unterstützt wird.
In Deutschland werden bis zum Jahr 2020 2.600.000.000.000 Euro (2,6 Billionen ) vererbt. 
2 Prozent der Erbberechtigten werden insgesamt rund 880 Milliarden Euro erben.
Aber der Staat begnügt sich mit einer Erbschaftssteuer von aktuell rund 4 Milliarden Euro im Jahr.

Die mit dem Fiskalpakt verknüpften Auflagen unsozialer Ausgabenkürzungen in den Krisenländern führen zu wachsender sozialer Ungerechtigkeit, Elend und Armut.

Die Sparauflagen würgen notwendige wirtschaftliche Erneuerungen und Wachstum und somit die Möglichkeiten zur Tilgung von Schulden ab. Zunehmende Schulden sind die Folge.

Damit Euro-Staaten nicht mehr darauf angewiesen sind, sich zu hohen Zinsen bei Banken oder anderen Investoren Geld leihen zu müssen, schlagen wir vor, den Euro-Staaten die Möglichkeit zu geben, sich über eine europäische Bank für öffentliche Anleihen Geld zu niedrigen Zinsen bei der Zentralbank zu besorgen. Für Deutschland und europaweit fordern wir eine Millionärsteuer.


Die Krise des Euro, die Krise der Euro-Region, die Krise der Staatsschulden sind auch Ergebnis und Ausdruck einer verfehlten Europapolitik. Das Regelwerk insgesamt bedarf dringend der Überarbeitung. Ein zukunftsfähiges, sozial gerechtes Europa braucht eine neue vertragliche Grundlage, die weit über wirtschafts- und fiskalpolitische Regelungen hinausgeht. Dafür lohnt es, Ideen, Kraft und Geld zu investieren.

DIE LINKE unterstützt die Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom Juni 2012, die den Mitgliedsstaaten „eine grundlegende Neuorientierung der gegenwärtigen Austeritätsprogramme“ empfiehlt, die die „Fokussierung auf Ausgabenkürzungen im sozialen Bereich wie bei Renten, Gesundheitsdiensten und Familienleistungen beendet“ sowie „Maßnahmen zur Steigerung der öffentlichen Einnahmen durch stärkere Besteuerung der höheren Einkommensgruppen und der Vermögen, durch Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage und Verbesserung des Steuereinzugs, der Effizienz der Bekämpfung von Steuerbetrug und -hinterziehung“ durchsetzt.

linksfraktion.de, 14. September 2012
 

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