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Große Koalition oder »Solidaritätsprojekt«

Im Wortlaut von Sahra Wagenknecht,

                                                                                                     Foto: Jakob Huber

Von Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

SPD-Chef Sigmar Gabriel kann das Backen aufblasen nicht lassen. Seine neuste Luftnummer im Wahlkampf heißt "Solidaritätsprojekt" und wurde in einer Talkshow in die Welt gepustet. Mit seinem Gerede von einer Abkehr vom strikten Kürzungskurs und einer stärkeren sozialen Förderung, die der deutschen Bevölkerung zugutekommen solle, inszeniert Gabriel – immerhin Vizekanzler der Regierung – ein absurdes Oppositionstheater gegen sich selbst. Denn klar ist: Ohne einen Kurswechsel der SPD – deren Vorsitz er selbst innehat – bleiben wohlfeile Worte für höhere Renten, mehr sozialen Wohnungsbau und Kita-Plätze nichts anderes als ein Wahlkampfmanöver.

Sozialstaat bis zur Unkenntlichkeit geschliffen

Gabriels Heuchelei ist leicht durchschaubar. Schließlich ist die SPD in der Großen Koalition gemeinsam mit der CDU/CSU für den Sozialabbau in diesem Land verantwortlich. Bundeskanzlerin Merkel hat ihn daher folgerichtig sofort mit der Realität konfrontiert und ihn vor die Wahl gestellt: Große Koalition oder "Solidaritätsprojekt". Außerdem steht Gabriel innerhalb seiner Partei für Agenda-2010-Kontinuität. Für Deutschland ist das eine Katastrophe. Der Armutsbericht der Wohlfahrtsverbände berichtet von 13 Millionen von Armut betroffenen Personen in Deutschland. Ganze Regionen wie das Ruhrgebiet rutschen ab. Gerade die Altersarmut wächst. Auch was die Rentenkürzungen angeht und die wachsende Altersarmut trägt die SPD – Stichwort Walter Riester und seine Privatisierung der Rente – eine besondere Verantwortung.

Selbstverständlich bräuchte dieses Land einen sozialen Neustart. Denn diese anti-sozialdemokratische Politik hat in Deutschland für eine dramatische Ungleichverteilung gesorgt und den Sozialstaat bis zur Unkenntlichkeit geschliffen. Die Folgen sind messbar: Die reichsten 10 Prozent der deutschen Bevölkerung besaßen 1998 45 Prozent des gesamten Privatvermögens. 2013 lag ihr Anteil schon bei 52 Prozent. Und selbst diese Zahl ist wohl untertrieben, weil es über die Vermögensverhältnisse der Reichsten so gut wie keine verlässlichen Daten gibt. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung hatte dagegen 1998 bereits nur einen Anteil von drei Prozent am Privatvermögen. Und der ist inzwischen sogar noch auf ein Prozent geschrumpft. Trotz dieser immer grotesker werdenden Ungleichverteilung erklärte Gabriel auf dem letzten SPD-Parteitag eine Vermögenssteuer für unzeitgemäß. Wer sich jedoch, wie Gabriel, nicht traut, gegen die Interessen der Superreichen Politik zu machen, sondern nur laute Töne spuckt, bleibt ein Solidaritätspapiertiger. Ein Solidaritätsprojekt ohne Reichensteuern ist für DIE LINKE kein Solidaritätsprojekt.

Gabriels Panik vor den Landtagswahlen

Dass Gabriel aufgrund verheerenden Umfrageergebnisse für die SPD kurz vor den Wahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in Panik gerät, ist verständlich – so war die SPD beispielsweise in den Umfragen in Sachsen-Anhalt gar auf den vierten Platz noch hinter der AfD abgerutscht. Gabriel dachte sich also offenbar, es sei allerhöchste Zeit wieder einmal links zu blinken – natürlich ohne real abbiegen zu wollen. Doch wer die berechtigten Sorgen der Bevölkerung für plumpe Wahlkampfmanöver missbraucht, sorgt nicht für steigende Umfragewerte für die SPD, sondern die Politikverdrossenheit.

Es ist Zeit für die Probe aufs Exempel. Als LINKE werden wir dafür sorgen, dass Sigmar Gabriel und seine SPD im Bundestag über die von ihm publikumswirksam erhobenen Forderungen nach höheren Renten, mehr Sozialwohnungen und mehr Kita-Plätzen abstimmen können. Dann kann der Vizekanzler beweisen, wie ernst es ihm wirklich ist, und ob er sich tatsächlich vom Saulus zum Paulus gemausert hat oder ob er lieber zusammen mit Wolfgang Schäuble auf der Regierungsbank sitzen bleiben will, der seine Vorschläge als "erbarmungswürdig" bezeichnet. Hoffnung gibt es kaum. Denn bislang hat er entsprechende Anträge der LINKEN immer noch abgelehnt.

linksfraktion.de, 29. Februar 2016