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Große Koalition ist rentenpolitisch handlungsunfähig

Im Wortlaut von Matthias W. Birkwald,



Von Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Man könnte es einen Aprilscherz nennen, aber es ist – leider - keiner. Zum ersten Mal muss ich als rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE dem Chef der CDU Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, Dr. Carsten Linnemann, Recht geben!

Er ließ sich heute am 1. April mit folgender Kritik an der sogenannten "Lebensleistungsrente" von Sozialministerin Andrea Nahles zitieren: "In Wahrheit hilft die Lebensleistungsrente den tatsächlich Bedürftigen überhaupt nicht", sagte Linnemann der Tageszeitung Die Welt. Und weiter: "Da ein Arbeitnehmer 40 Jahre lang einbezahlt haben muss, um die Zusatzleistungen zu erhalten, wären Langzeitarbeitslose und geringfügig Beschäftigte von der Lebensleistungsrente ausgeschlossen."

Aber dann ist es mit den Gemeinsamkeiten auch schon vorbei, denn selbstverständlich hört man von Herrn Linnemann keine Vorschläge, was er stattdessen gegen Minirenten und Altersarmut zu tun gedenkt.

Natürlich hört man aus der Union auch keine Vorschläge, wie der stetige Verfall des gesetzlichen Rentenniveaus aufgehalten werden solle. Man hört aus der Union erst Recht keine Forderung, für Hartz IV-Beziehende wieder Beiträge in die Rentenversicherung zu zahlen oder die ungerechten Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten abzuschaffen und schon gar nicht hört man Forderungen, endlich die niedrigeren Kinderziehungsleistungen für ostdeutsche Kinder und für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, anzuheben.

Nein, zu all dem schweigt oder blockiert die Union, und das Pendant von Carsten Linnemann in der bayerischen Schwesterpartei, Hans Michelbach, spricht ebenfalls Klartext: "Wir müssen damit aufhören, ständig neue Sozialausgaben zu erfinden, die dauerhaft Sozialsysteme und Staatsfinanzen belasten."

Genau darum geht es: Die Große Koalition ist sozialpolitisch handlungsunfähig. Ministerin Nahles fordert und die Union blockiert. Trotz sprudelnder Steuereinnahmen, trotz voller Rentenkasse, will sie das jährlich anwachsende Problem der Altersarmut nicht angehen!

Denn wer etwas gegen Altersarmut tun will, muss als erstes den Kampf gegen die sich weiter verfestigende Langzeiterwerbslosigkeit führen.

Wer etwas gegen Altersarmut tun will, muss als nächstes den gesetzlichen Mindestlohn deutlich anheben. Denn nur mit einem Mindestlohn von zurzeit 11,50 Euro brutto pro Stunde würde man nach 45 Jahren Arbeit eine Rente erzielen, die über dem Sozialhilfeniveau liegt.

Und wer den Kampf gegen die Altersarmut gewinnen will, muss das sogenannte "Sicherungsniveau vor Steuern" der gesetzlichen Rente wieder auf 53 Prozent erhöhen, damit der Lebensstandard im Alter wieder gesichert werden kann und die Renten für alle spürbar steigen.
Für einen Ruhestand in Würde und für soziale Teilhabe im Alter für Jede und Jeden brauchen wir einen Mindeststandard in der gesetzlichen Rente. Deshalb will DIE LINKE eine Solidarische Mindestrente einführen, die ihren Namen verdient. Die sogenannte "Lebensleistungsrente" von Andrea Nahles, gegen die jetzt die Union Sturm läuft, würde langjährigen Beitragszahlenden netto gerade einmal 766,94 Euro im Osten und 814,88 Euro im Westen als „Schutz“ anbieten. Das ist ein schlechter Witz und liegt im Westen nur 25 Euro und im Osten nur 50 Euro über dem regionalen durchschnittlichen Grundsicherungsniveau. Überdurchschnittliche Mieten oder Heizkosten, ganz zu schweigen von medizinischen Sonderbedarfen, wären damit bei weitem nicht gedeckt. Deshalb wird die DIE LINKE im Jahr 2017 ihre Forderung nach einer Solidarischen Mindestrente in Höhe von 1050 Euro netto wieder mit Nachdruck in die Debatte einbringen.

Viele werden sagen: völlig unrealistisch.

Aber: DIE LINKE hat sich bei ihrer Festsetzung der 1050 Euro als existenzsichernder und armutsfreier monatlicher Solidarischer Mindestrente an der offiziellen Armutsgefährdungsschwelle von 60 Prozent des Medianeinkommens orientiert. Dazu liegen unterschiedliche Armutsschwellen vor: Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe beruht zwar auf den ältesten Daten (2008), erreicht aber den höchsten Schwellenwert mit 1063 Euro. Die 60-Prozent-Marke des Mikrozensus nähert sich mit großen Schritten dieser Größenordnung an und lag im Jahr 2013 bereits bei 917 Euro. Nach den Berechnungsmethoden der EU-SILC-Befragung lag der Schwellenwert schon 2014 bei 987 Euro monatlich.

Unrealistisch? Nein, armutsfest!

Und darum geht es der LINKEN: Die gesetzliche Rente muss wieder den Lebensstandard sichern und sie muss zuverlässig vor Altersarmut schützen.

linksfraktion.de, 1. April 2016