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Griechenlands letzte Hoffnung

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An diesem Freitag bat der griechische Premier Antonis Samaras in Berlin bei Kanzlerin Angela Merkel um ein bisschen Gnade. Nicht mehr Geld wolle er, sondern nur ein wenig Zeit zum Atemholen für das von Kürzungspolitik, Rezession und steigenden Schulden gebeutelte Land. Zeit, um die Wirtschaft anzukurbeln und Staatseinnahmen zu erhöhen. Doch  Bundeskanzlerin Merkel ging auf den Wunsch Samaras nicht ein. Bereits im Vorfeld hatte die Bundesregierung einen Reformaufschub abgelehnt.

Sahra Wagenknecht warf der Bundeskanzlerin Merkel vor, sie habe "mit ihrem beispiellosen Sozialkürzungsdiktat große Teile der griechischen Wirtschaft und Sozialsysteme vernichtet". "Diskussionen um eine zeitliche Streckung dieser zerstörerischen Politik, an der sich auch SPD und GRÜNE beteiligen, gehen am Problem vorbei. Wird Griechenland weiterhin zu Kürzungen gezwungen, dann wird das Land seine Schulden nicht zurückzahlen können", so Sahra Wagenknecht in einer Pressemitteilung

"Griechenland blutet"

Samaras hatte in dieser Woche nichts unversucht gelassen, um für seine Position zu werben. In Interviews mit deutschen Zeitungen versicherte er, dass sein Land die Hilfskredite von mehr als 100 Milliarden Euro zurückzahlen werde. Er verstieg sich sogar dazu, das persönlich zu garantieren. "Griechenland blutet. Es blutet wirklich“, sagte Samaras. "Unsere Wirtschaft ist um 27 Prozent geschrumpft." Falle die für Oktober erwartete nächste Tranche aus dem Rettungspaket von 31 Milliarden Euro aus, sei sein Land pleite. Die Kürzungspolitik hat Griechenland eine beispiellose Rezession beschert. 2012 wird die Wirtschaftsleistung um sechs bis sieben Prozent schrumpfen.

Auf Politiker der Bundesregierung machte das wenig bis gar keinen Eindruck. Finanzminister Schäuble (CDU) sagte dem SWR am Donnerstag: "Mehr Zeit ist keine Lösung der Probleme." Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP) pochte auf die Einhaltung des Regelwerks: "Wer fest vereinbarte Reformzusagen nicht einhält, kann keine weitere finanzielle Hilfe erwarten. Auch eine zeitliche Streckung, wie sie von der griechischen Regierung gefordert wird, hilft nicht weiter." Europa und der Euro dürften nicht an Reformverweigerern scheitern.

Dabei ist Griechenland Europameister im Sparen. Das belegt eine in dieser Woche veröffentliche Studie der irischen Zentralbank. Griechenland hat in den vergangenen zwei Jahren durch Steuererhöhungen und Ausgabensenkungen ein Volumen von 20 Prozent der Wirtschaftsleistung erspart. Da kann selbst der vermeintliche Musterknabe der verzweifelten europäischen Sparkünstler, Irland, nicht mithalten. Und im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung spart Griechenland sogar fünfmal mehr als Portugal und Spanien.

Deutschland fordert etwas Unmögliches

Die Spardiktate treiben zusehends Länder in Europa wie Spanien und Italien in die Rezession. Die Haushaltskonsolidierung wird deswegen schwerer, die Einschnitte in den Sozialstaat tiefer, die Krise der Eurozone dramatischer. Denn die Eurokrise steckt nach wie vor in einer Ideologiefalle. Der Ökonom Heiner Flassbeck schrieb in dieser Woche, Deutschland fordere etwas Unmögliches von den Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten. "Es verlangt, dass mitten in einer Rezession, in der die Privaten mehr zu sparen versuchen, auch noch vom Staat Sparversuche unternommen werden, die die öffentlichen Defizite reduzieren sollen." Das könne objektiv nicht funktionieren.

Die Macht der Reichen und Superreichen sei der Grund dafür, warum an diesem "seltsamen Triumph gescheiterter Ideen" (Krugman) festgehalten werden, stellte Sahra Wagenknecht im linksfraktion.de-Interview fest. "Aktuell geht es darum, wer die Kosten für die Krise zu bezahlen hat", so Sahra Wagenknecht. "In den letzten zehn Jahren haben CDU, SPD, FDP und Grüne die Reichen und Konzerne mit extremen Steuersenkungen beschenkt. Gleichzeitig haben sie die Löhne und Sozialleistungen durch Hartz IV, Leiharbeit, Mini- und Ein-Euro-Jobs gesenkt."

Verkaufen lässt sich dieser "Triumph gescheiterter Ideen“"der breiten Öffentlichkeit nur noch durch eine "Fehlinterpretation", wie das der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Stephan Schulmeister Mitte August in einem Interview nannte: "Uns geht es besser, weil wir die neoliberalen Hausaufgaben erfüllt haben, weil wir die Arbeitslosenunterstützung gekürzt haben, Hartz IV etc. Daher müssen die anderen Länder nur das gleiche tun. In Wahrheit steht Deutschland besser da, weil die Exporte in solche Ökonomien expandieren, die sich noch immer sehr gut entwickeln, weil sie das neoliberal-finanzkapitalistische Wirtschaftssystem ablehnen."

Dessen Macht ist in Europa ungebrochen. Deswegen brauche Griechenland laut Sahra Wagenknecht "kein neues Finanzpaket und erst recht keine weiteren Kürzungsdiktate": "Kanzlerin Merkel muss einsehen, dass die griechische Bevölkerung nicht weiter ausgepresst werden kann. Statt auf brutale Sozialkürzungen zu beharren, sollte die Bundesregierung Griechenland beim Aufspüren der Fluchtgelder griechischer Millionäre helfen. Doch anscheinend ist es politisch gar nicht gewollt, die Unternehmen und Vermögensbesitzer in Griechenland zur Kasse zu bitten.“