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Gewalt gegen Frauen bekämpfen - kommunale Hilfestrukturen unterstützen

Im Wortlaut von Cornelia Möhring,

 

Von Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Im März dieses Jahres erschien eine Studie der Europäischen Menschenrechtsagentur (FRA) über Gewalt gegen Frauen. Sie hat das ungeheuerliche Ausmaß an Gewalt gegen Frauen im Alltag europäischer Länder belegt. Mit derartigen Fakten hatte wohl niemand gerechnet. In Deutschland erlebt jede dritte Frau körperliche, sexuelle und physische Gewalt. Seit Jahren fordern wir ein Hilfesystem, dass einzelfallunabhängig, bedarfsgerecht und bundesweit einheitlich finanziert wird.

Seit mehr als 30 Jahren kämpfen Frauenhäuser um eine gesicherte und planbare Finanzierung.
Im Jahr 2013 haben die etwa 350 Frauenhäuser in Deutschland rund 18.000 Frauen und etwa 17.200 Mädchen und Jungen aufgenommen. Eine Nachfrage in Autonomen Frauenhäusern ergab, dass zeitgleich in 76 Frauenhäusern 7.786 Frauen und fast so viele Kinder wegen Platzmangel ab- und weiterverwiesen wurden. Der Bedarf übersteigt das dürftige Angebot. Überdies bleiben Frauen länger in Frauenhäusern, weil kaum noch bezahlbarer Wohnraum zu finden ist.

Ein niedrigschwelliger Zugang zu den Frauenhäusern ist bis heute nicht gesichert, gleichfalls sind sie selten barrierefrei. Die meisten Aufenthalte werden über Tagessätze finanziert. Das bedeutet, dass Frauen in Not Wiedereingliederungshilfen in den Arbeitsmarkt nach dem SGB II und XII beantragen müssen. Praktisch bedeutet dieser bürokratische Aufwand, dass er in Situationen extremer psychischer Überforderung und erlebter Ausweglosigkeit als schwer zu bewältigende Belastung erfahren wird. Überdies sind letztlich nicht alle Frauen anspruchsberechtigt. Wenn sie an einen neuen Ort gezogen, kommt es nicht selten vor, dass Frauen zu Leidtragenden von gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Kommunen wegen der Kostenerstattung werden.

Bisher glänzt die Regierungspolitik mit vollmundigen Ansagen und ihrem Hilfetelefon als Vorzeigeprojekt. Dessen Wirkungen sind bis heute unbekannt. Am 25.11. werden oft die Bekenntnisse verantwortlicher PolitikerInnen, sich für den Schutz gegen Gewalt gegen Frauen einzusetzen, wiederholt. Doch wem nützt es, wenn die Telefonnummer des Hilfetelefons – die 08000 116 0 16 - nicht einmal ausreichend beworben wird? Dabei kann hier sofort gehandelt werden.

Mit dem Lagebericht zur Situation des Hilfesystems bei Gewalt gegen Frauen, der seit 2012 auf dem Tisch liegt, sind der Flickenteppich und die Unterfinanzierung des Hilfesystems analysiert. Der Handlungsbedarf ist detailreich bekannt und liegt auf dem Tisch. Doch statt konkreter Maßnahmen werden wieder Berichte in Aussichtgestellt. Vergangene Woche hatten Mitglieder des Familienausschusses des Deutschen Bundestages in Wien zusätzlich Anschauungsunterricht, wie ein Hilfesystem funktionieren kann. Es fehlt offenbar nur am politischen Willen der Koalition, hier schnell und nachhaltig etwas zu ändern.

linksfraktion.de, 25. November 2014