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Gesundheit und Pflege solidarisch finanzieren

Im Wortlaut von Martina Bunge,

Öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss zum Antrag der Linksfraktion

Von Martina Bunge, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 

 

 

Am Mittwoch, dem 5. Juni 2013, wird in dieser Wahlperiode das erste Mal in einer öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss über ein Konzept der Bürgerinnen- und Bürgerversicherung diskutiert. Weder die Grünen noch die SPD haben bislang ihre Konzepte in einer öffentlichen Auseinandersetzung im Gesundheitsausschuss diskutiert.

Bei der Anhörung wird es einerseits um die Besonderheiten des konsequenten Finanzierungskonzepts der Linksfraktion gehen. Andererseits geht es aber auch um die Diskussion einer Bürgerversicherung versus der derzeit wieder erstarkenden Idee einer Kopfpauschale, einer gesetzlichen Krankenversicherung für alle versus eines dualen Systems von GKV und PKV und letztlich auch um die Fähigkeit der Opposition gemeinsam für eine Bürgerversicherung zu streiten. Wir sind daher sehr gespannt, wie sich SPD und Grüne in der Anhörung verhalten werden – als potenzielle Partner zur Umsetzung einer Bürgerversicherung – oder als abweisende Kritiker, die damit die Idee einer Bürgerversicherung beschädigen.

Schwarz-Gelb, PKV, Unternehmer und Ärzte machen gegen solidarische Finanzierung mobil

Wie immer, wenn die Geldelite gerechter an der Daseinsvorsorge beteiligt werden soll, werden alle Räder zur Abwehr gedreht und der Weltuntergang heraufbeschworen. In den letzten Monaten hat sich eine unheilige Allianz aus Schwarz-Gelb, PKV, Unternehmern und Ärzten gegen die Abschaffung der PKV und gegen die solidarische Finanzierung des Gesundheitssystems gebildet. Die Vehemenz mit der dieser Abwehrkampf vorgetragen wird, zeigt vor allem, dass diese Gruppen Angst vor Veränderungen haben und die Bürgerversicherung realistisch möglich ist. Wäre die Behauptung dieser Einheitsfront gegen die Bürgerversicherung berechtigt, dass diese an verfassungsrechtlichen Grundsätzen scheitern müsse, dann könnten sie sich die Abwehrkämpfe sparen; das tun sie aber nicht. Ziel ist es, Ängste gegen die Abschaffung der PKV zu schüren, die aber abseits jeglicher Realität sind.

Die PKV, nicht die Bürgerversicherung, gefährdet die Versorgung

Ärztefunktionäre und PKV behaupten, dass die ambulante ärztliche Versorgung durch die Abschaffung der PKV gefährdet sei. Ohne die Gelder aus der Abrechnung über die PKV müssten zahlreiche Praxen schließen. Dabei wird außen vor gelassen, dass die Gelder aus der PKV gar nicht gleichmäßig verteilt sind. Gerade Ärztinnen und Ärzte, die die besonders notwendige Versorgung in sozialen Brennpunkten oder auf dem Land übernehmen, erzielen kaum Einnahmen aus der PKV. Im Osten werden viel weniger Privateinnahmen erzielt als im Westen. Also, umgekehrt wird ein Schuh draus. Derzeit gehen die Ärzte am Liebsten in die Villengegenden, wo mehr zu verdienen ist, als dorthin, wo ihre Arbeit dringender gebraucht wird. So wird durch die PKV die Versorgung durch Unterversorgung in ländlichen und sozial schwächeren Regionen verschlechtert. Ebenso aus der Luft gegriffen ist der Einwand, nur durch die Konkurrenz zur PKV würde die GKV zu einer guten Versorgung getrieben. Einen Wettbewerb könnte es lediglich um zwei Prozent der Versicherten geben, die eine echte Wahl haben, sich gesetzlich oder privat zu versichern. Und es ist entlarvend, zu meinen, nur überproportionale Vergütung ermöglichte echten medizinischen Fortschritt. Der Motor einer guten Gesundheitsversorgung sollte doch das echte Interesse am Wohl der Patientinnen und Patienten sein und ist nicht durch Wettbewerb zu erreichen. Natürlich muss man dann Wege suchen, die entsprechende Finanzierung zu sichern. Und gerade da bietet sich als zukunftsträchtiger Weg die Bürgerinnen- und Bürgerversicherung an, da sie, wenn konsequent ausgestaltet, finanzielle Gestaltungsspielräume bietet.

DIE LINKE schafft Arbeitsplätze

Die Unternehmer behaupten gar, durch eine solidarischere Finanzierung würden Arbeitsplätze vernichtet. Das Gegenteil ist richtig. Die makroökonomische Studie zum Finanzierungskonzept der Linksfraktion zeigt, dass sogar rund eine halbe Million Arbeitsplätze geschaffen würden. Zum einen dadurch, dass  der Entlastung der niedrigeren und mittleren Einkommen durch die Absenkung des Beitragssatzes von 8,2 auf 5,25 Prozent positive Effekte auf den Konsum folgen würden. Zum anderen, weil die allermeisten Unternehmen durch auch deren Senkung des Beitragssatzes von 7,3 Prozent auf 5,25 Prozent direkt von Kosten entlastet würden. Lediglich Unternehmen mit vielen sehr gut bezahlten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, etwa Investmentbanken, hätten durch den Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze in Summe mehr Beiträge zu zahlen.

Abwehrkampf in der Anhörung erwartet

Schwarz-Gelb wird die Anhörung für diesen Abwehrkampf gegen eine solidarische Finanzierung nutzen. Neben unhaltbaren Ausführungen zur Versorgungsqualität und zu Arbeitsplätzen, wird sich die Koalition darauf einschießen, das Finanzierungskonzept der Linksfraktion als weltfremd und verfassungsrechtlich unmöglich darzustellen. Zudem werden sie versuchen darzulegen, dass es der Linksfraktion ja nur um das Verbraten der glorreichen Alterungsrückstellungen der PKV ginge.

Fest steht, dass die PKV massive Probleme hat. Ende Mai ist bekannt geworden, dass 18 von 48 Krankenversicherern nicht die notwendigen 3,5 Prozent Zinsen erreichen, die zum Aufbau ausreichender Alterungsrückstellungen notwendig sind. Die Aufsichtsbehörde muss die Versicherungen zu Beitragserhöhungen zwingen, da das Geschäftsmodell sonst nicht funktioniert. Immer mehr Versicherte, insbesondere Ruheständlerinnen und Ruheständler können die Beiträge nicht mehr bezahlen. Die Überzeugung, dass die PKV ohnehin nur noch wenige Jahre durchhält, setzt sich immer mehr durch. Auch deshalb ist ein geordneter Übergang der Versicherten in die GKV besser als ein für alle schmerzhafter Kollaps dieses Versicherungssystems.

Zu den verfassungsrechtlichen Einwänden ist zu sagen, dass das Bundesverfassungsgericht bislang dem Gesetzgeber stets großen Spielraum gelassen hat, um den Sozialstaat auszugestalten und zu sichern. Wie weit das Bundesverfassungsgericht diesen Spielraum angesichts einer zusammenbrechenden PKV und einer in Zukunft wieder zu erwartenden angespannten Finanzsituation in der GKV definiert, weiß nur das Verfassungsgericht. DIE LINKE ist gemeinsam mit Verfassungsrechtlern aber optimistisch, dass die Schaffung einer soliden und solidarischen Finanzierung große Spielräume ermöglicht. Und die Gegner einer solidarischen Finanzierung teilen scheinbar unseren Optimismus, wie ihre überzogenen Reaktionen zeigen.

Die Alterungsrückstellungen in der PKV haben in den Berechnungen und Überlegungen der Linksfraktion bislang keine Rolle gespielt. wir haben sie einfach außen vor gelassen. Unser Finanzkonzept kommt auch ohne die Rückstellungen gut aus. Wie mit dem Luxusproblem von möglicherweise zusätzlichen Milliarden im Gesundheitsfonds umgegangen wird, kann geklärt werden, wenn es soweit ist.

linksfraktion.de, 3. Juni 2013