Von Martina Bunge
Die Bilanz der Bundesregierung in der Gesundheits- und Pflegepolitik ist desaströs, wenn es darum geht, eine hochwertige Versorgung für alle Menschen sicherzustellen. Sie ist erfolgreich im Sinne der Umverteilung von unten nach oben und nichts anderes als blütenreine Klientelpolitik.
So hat die Bundesregierung Anfang des letzten Jahres die Gesundheitsprämien eingeführt. Das hört sich positiv an. Eingeführt wurden aber Kopfpauschalen, an denen sich die Arbeitgeber nicht beteiligen müssen und die Geringverdienenden in gleicher Höhe zahlen müssen wie Millionäre. Arbeitgeber wurden aus der Verantwortung entlassen und Gutverdiener bessergestellt. Versehen wurden die Zusatzbeiträge mit einem Zeitzünder. Die Versicherten werden erst dann geschröpft, wenn die Konten der Krankenkassen leer sind. Erst nach der nächsten Wahl werden die Kopfpauschalen Realität werden. Bis dahin gibt es unter den Krankenkassen einen Wettbewerb um die Vermeidung von Leistungen auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten.
Die verfehlte Gesundheitspolitik unter Schwarz-Gelb hat auch die Situation der Krankenhäuser in Deutschland dramatisch verschlechtert und zugespitzt. Länder und Kommunen können die Finanzierung der Kosten von Krankenhausinvestitionen und Baumaßnahmen nicht mehr sicherstellen. Im sensiblen Krankenhausbereich wirkt sich die Austrocknung der öffentlichen Finanzen verheerend aus. Der Investitionsstau der Kliniken wird auf 50 Mrd. Euro beziffert. Kliniken sind seit der Einführung von Fallpauschalen einem gnadenlosen Kostendruck ausgesetzt. Bahr, Rösler und Co. setzen voll auf Wettbewerb und Kommerzialisierung, ohne Rücksicht auf die Versorgungsqualität und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Steigende Kosten, z. B. durch Tariferhöhungen oder Energiepreise, werden nicht hinreichend abgedeckt. Nach einer Umfrage unter Krankenhausdirektoren haben 43 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser das Jahr 2011 mit roten Zahlen abgeschlossen. Kommunale oder freigemeinnützige Einrichtungen stehen am Rande des finanziellen Kollapses. Oft werden sie durch Aktiengesellschaften und Fonds aufgekauft. Mittlerweile ist über ein Drittel aller Kliniken privatisiert – mit weitreichenden Folgen für Patientinnen, Patienten und Beschäftigte.
Seit 2009 musste eine Finanzierungslücke von 3,8 Mrd. Euro gestopft werden. Mit rasantem Tempo wurden zahlreiche Stellen abgebaut. Das bedeutet Arbeitsverdichtung, Zeitdruck, Belastung und Stress für die Beschäftigten. Pflegekräfte versorgen immer mehr Patientinnen und Patienten in kürzerer Zeit und beziehen dabei einen geringeren Lohn. Insgesamt fehlen bis zu 70.000 Pflegekräfte. Krankenhausdirektoren, Gewerkschaften und Patientenorganisationen schlagen Alarm. Trotz Engagements der Pflegenden leidet die Versorgungsqualität. Eine angemessenen Personaldecke muss gesichert werden.
Vollends gescheitert ist die schwarz-gelbe Bundesregierung an der Aufgabe, die Finanzierung der Pflegeversicherung auf eine stabile Grundlage zu stellen und den neuen Pflegebegriff gesetzlich zu verankern. Vom groß angekündigten Jahr der Pflege 2011 bleibt 2012 nur Stückwerk übrig. Von einer Neuausrichtung der Pflege kann keine Rede sein.
Perspektivisch müssen die Leistungen sich am individuellen Bedarf orientieren. Dazu ist die Pflegeversicherung gerecht weiter zu entwickeln, denn sie bietet nur eine Teilkaskoabsicherung. Heute müssen die Betroffenen und ihre Angehörigen auf ihr Einkommen und Vermögen zurückgreifen, um den tatsächlichen Bedarf ganz abzudecken. Wer das nicht kann, muss auf professionelle Pflege verzichten und ist auf Angehörige angewiesen. Oder die Sozialhilfe muss einspringen. Dies führt nicht selten zu einer Unterversorgung der pflegebedürftigen Menschen und zu einer Überlastung der sie pflegenden Menschen.
Zwar versprach Schwarz-Gelb, pflegende Angehörige zu entlasten; beschlossen wurden Tropfen auf den heißen Stein. Die soziale Ungleichheit in der Versorgung wurde verschärft, eine selbstbestimmte Entscheidung für das gewünschte Pflegearrangement ist in vielen Fällen nicht möglich. Die Bundesregierung zieht die kostenintensive Entlastung der familiären Pflege durch professionelle Pflegekräfte nicht in Betracht.
Der Alltag von Pflegekräften ist von Arbeitsverdichtung, starren Zeitvorgaben und schlechter Bezahlung geprägt. Schwarz-Gelb setzt voll auf den Wettbewerb in einem privaten Pflegemarkt. Darunter leiden alle Beteiligten: das Pflegepersonal und die zu pflegenden Menschen sowie deren Angehörige. Wer hofft, die Bundesregierung würde die Probleme in Angriff nehmen, wurde bitter enttäuscht. Regelungen für eine verbindliche Personalbemessung oder eine Weiterentwicklung der Pflegeausbildung bleiben aus. Vielmehr sind Verschlechterungen für die Beschäftigten in der Pflege zu erwarten.
Die mit 5 Euro bezuschusste private Zusatzversicherung nach Vorbild der Riesterförderung verschärft die Ungleichheiten in der pflegerischen Versorgung, da Menschen mit geringem Einkommen sich eine zusätzliche private Versicherung schlichtweg nicht leisten können. Davon profitieren allein die Versicherungskonzerne und die Arbeitgeber.
Für die Fraktion DIE LINKE sind Gesundheit und Pflege Teil der Daseinsvorsorge. Sie dürfen nicht zur Ware werden. Eine hochwertige Gesundheitsversorgung für alle ist finanzierbar. Die solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung der Fraktion DIE LINKE führt zur Absenkung des Beitragssatzes in der GKV um rund ein Drittel auf 10,5 Prozent. Das wird erreicht trotz Abschaffung von Zuzahlungen, Praxisgebühren und Zusatzbeiträgen. Kleine und mittlere Einkommen werden entlastet. Außerdem werden durch die Stärkung der Binnenkaufkraft positive wirtschaftliche Impulse gesetzt und neue Arbeitsplätze geschaffen. Alle zahlen den gleichen Anteil ihres Einkommens ein – unabhängig davon, ob es aus Löhnen, Unternehmensgewinnen oder Dividenden bezogen wird. Arbeitgeber werden zur Hälfte beteiligt. Die private Krankenversicherung wird beschränkt auf Zusatzversicherungen, die Zwei-Klassen-Medizin beendet.
Die linke Bürgerinnen- und Bürgerversicherung sorgt auch in der Pflege für eine stabile zukunftsträchtige Finanzierung. Trotz leicht sinkender Beitragssätze könnte endlich der Realwertverlust der Pflegesätze ausgeglichen und durch eine 25-prozentige Erhöhung der Sachleistungen die Pflegearbeit besser bezahlt werden. Nur mit einer solch breiten finanziellen Basis sind die Herausforderungen von morgen zu meistern.
linksfraktion.de, 11. September 2012