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Geburtshilfe: schlechter Betreuungsschlüssel, schlechte Arbeitsbedingungen

Nachricht von Sabine Zimmermann,

In deutschen Geburtsstationen fehlt Personal, mit ernsten Konsequenzen für die Versorgungsqualität und die Arbeitsbedingungen der Hebammen. Das geht aus zwei aktuellen Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages hervor, die die Abgeordnete Sabine Zimmermann (DIE LINKE.) angefordert hatte, die auch Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist. 


Die Gutachten können hier heruntergeladen werden:

Zur Arbeitssituation von Hebammen in der stationären Geburtshilfe (PDF)

Zum Betreuungsschlüssel von Hebammen in der klinischen Geburtshilfe (PDF) 


Den Gutachten zufolge empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften für die stationäre Geburtshilfe im Regelfall eine Eins-zu-Eins-Betreuung von gebärenden Frauen. In der Praxis muss sich aber im Kreißsaal in der Regel eine Hebamme um zwei Gebärende kümmern; für freiberufliche Hebammen existiert seit in einem Schiedsverfahren mit den Krankenkassen 2017 eine entsprechende rechtliche Regelung. Studien aus den einzelnen Bundesländern lassen erkennen, dass teils sogar drei und mehr Frauen von einer Hebamme betreut werden müssen. Der internationale Vergleich zeigt, dass es auch anders geht: In Norwegen beispielsweise ist die Eins-zu-Eins-Betreuung gesetzlich festgeschrieben und wird in 60 Prozent der Fälle eingehalten. Auch in der Schweiz gilt das Verhältnis 1:1 als Standard, wenngleich er auch dort nicht mehr immer eingehalten wird.

Übereinstimmend äußerten Hebammen in den Studien, dass sie die gebärenden Frauen nicht so betreuen könnten, wie sie es fachlich für richtig hielten. Die Arbeitsbelastung sei sehr hoch, Überstunden trotz Teilzeitarbeit häufig. Als Gründe für Teilzeitarbeit oder den Wunsch nach Arbeitszeitreduktion wurde in den Studien regelmäßig die hohe Arbeitsbelastung genannt. Viele Hebammen hätten aber im Gegenteil ihre formale Arbeitszeit unfreiwillig erhöhen müssen. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes lag der Teilzeitanteil der fest angestellten Hebammen 2018 deutschlandweit bei 72 Prozent gegenüber noch 52 Prozent im Jahr 2000. In den Studien wurden für einzelne Bundesländer bei den fest angestellten Hebammen Teilzeitanteile zwischen zwei Fünfteln und drei Vierteln festgestellt, während bei den freiberuflichen Hebammen die Vollzeitquote deutlich höher lag. 

Zimmermann erklärt dazu: „Die Ergebnisse der Gutachten sind erschreckend. Seit Jahren ist die deutsche Geburtshilfe unterfinanziert. Grund dafür ist die Ökonomisierung des Gesundheitswesens, verschärft durch das System der Fallpauschalen. Diese Politik ist auf ganzer Linie gescheitert. Daran ändern die jüngsten kleinen Korrekturen des Bundesgesundheitsministeriums nichts, denn Hebammen sind darin nicht einbezogen. Dabei werden Hebammen händeringend gesucht, zumal die Geburtenzahlen steigen. Doch von schlechten Arbeitsbedingungen werden Hebammen in die Teilzeit oder ganz aus dem Beruf getrieben. Zugleich fehlt das Geld für neue Stellen. Darunter leidet die Versorgungsqualität. Werdende Eltern benötigen für sich und ihre neugeborenen Kinder nicht nur eine optimale medizinische Versorgung, sondern auch eine professionelle Begleitung während der Geburt. Das ist nur mit einer Eins-zu-Eins-Betreuung möglich.“